Mein letztes Ziel auf der südlichen Seidenstrasse um die Takla Makan war das Städtchen Hotan. Bekannt ist Hotan für seinen Sonntagsmarkt, Jade und für Touristen auch für die Teppich- und Seidenfabriken. Ich besuchte einen Teil der Attraktionen und machte Bekanntschaft mit dem Thema Hotelsuche in einer chinesischen Stadt.
Nachdem ich pünktlich in Hotan am Busbahnhof angekommen war, machte ich mich sogleich auf die Suche nach einem Plätzchen, wo ich die zwei Nächte verbringen konnte. Ich hatte mir gemerkt, wo die von mir präferierten Hotels lagen, also zog ich sofort los. Nur schade, wenn man sich kleine Details falsch einprägt… So bog ich bei der dritten Kreuzung anstatt links nach rechts ab. An der Strasse war weit und breit kein Hotel zu sehen, also drehte ich nocheinmal nach rechts ab, um wieder zum Busbahnhof zu gelangen. Dort prüfte ich den Stadtplan und stellte meinen Irrtum fest. Sogleich zog ich wieder los, nur um festzustellen, dass es das Hotel gar nicht gab. Ein freundlicher Herr gab mir zu erkennen, dass es in der Ecke allerdings viele Hotels gäbe, nur waren diese entweder voll oder durften keine Ausländer beherbergen. Als ich endlich das Yu Du Hotel gefunden hatte, meinte der Rezeptionist, dass sie nur Zimmer für 238RMB hätten, was definitiv über meinem geplanten Budget lag. Also machte ich mich nochmals auf, diesmal zurück zum Busbahnhof, denn direkt daneben gelegen war das Traffic Hotel.
Im Traffic Hotel bekam ich zwei Zimmer angeboten, eines für 160RMB und eines für 250RMB. Da ich keine Lust mehr hatte weiterzusuchen und die 160RMB gerade so in meinem Plan lagen, verlangte ich die beiden Zimmer zu sehen. Man zeigte mir das teurere, eine Suite mit Wohn- und Schlafzimmer und fragte mich gleich, ob ich das haben wollte. Ich ging davon aus, dass wenn ich für 250RMB ein solches Zimmer kriegen würde, das für 160RMB auch in Ordnung sein müsste. Das war es dann auch und ich zog sogleich ein. Vorteil der ziemlich lange dauernden Aktion war, dass ich bereits einen ersten Eindruck der Stadt Hotan erhalten hatte und somit wusste, wo ich was zu suchen hatte.
Am Abend geisterte ich dann nochmals etwas durch die Stadt, unter anderem suchte ich eines der örtlichen Internet Cafés auf und organisierte mir eine kleine Mahlzeit.
Am Dienstag Morgen stand ich gemütlich auf und notierte mir die Ziele für den Tag auf ein kleines Stück Papier. Auf jeden Fall wollte ich die Teppichknüpferei besichtigen und wenn alles klappen sollte auch noch die Seidenfabrik in einem kleinen Ã-rtchen ausserhalb von Hotan. Ersteres klappte dank der grosszügigen Hilfe der Einheimischen problemlos. So wurde mir gleich gezeigt, wo ich in den Bus einsteigen musste. Im Bus nahm sich ein Passagier meiner an, spazierte mit mir über die Brücke und übergab mich an der nächsten Bushaltestellte einem nächsten Einheimischen, der mir zeigte, wo ich aussteigen musste. Für mich hat dieses Verhalten definitiv Vorbildcharakter. Wir zeigen doch gerne einem Auswärtigen, wie er zum nächsten Punkt kommt, aber dass wir ihn dann an weitere Einheimische übergeben ist doch eher selten.
Die Teppichknüpferei war dann eine Üeberraschung. Ich erwartete mindestens jemanden der am Tor stand und die Funktion des Pförtners übernahm. Aber nichts dergleichen. Also spazierte ich fröhlich auf das Fabrikgelände, wo die unterschiedlichen Gebäude in Mandarin und Englisch beschriftet waren. So fand ich direkt die Halle, in welcher rund drei Dutzend Frauen mit dem eigentlichen Knüpfen der Teppiche beschäftig waren. Diese gaben sich mehr oder weniger unbekümmert in der Tatsache, dass ein Fremder einfach so in ihren Arbeitsraum spaziert kam.
Wenn man einmal gesehen hat, welche Arbeit das ist, einen Teppich von Hand zu fertigen, hat man gleich mehr Respekt vor dem Endprodukt. Üeber den Frauen hingen die Wollknäuel, wovon sie kurze Stücke der Wolle abschnitten. Diese Stücke knüpften sie dann an vertikal gespannte Tragschnüre, ähnlich wie man es vom Weben her kennt. Bei der Arbeit sitzen mehrere Knüpferinnen nebeneinander, so dass die Arbeit auch etwas gesellschaftliches hat. Was mich interessieren würde ist, ob in allen Fabriken in einem angenehm geheizten Raum gearbeitet wird und welche Temperaturen im Sommer in diesem Raum herrschen.
Weitere Hallen, die man besichtigen konnte, waren die Wäscherei, die grosse Bügelmaschine, den Wasserboiler, die Färberei und zum Schluss noch die Ausstellung, welche aber eher den Charakter eines Fabrikverkaufs hatte. Beinahe alle dieser Hallen waren jedoch menschenleer, bis auf die Bügelmaschine, wo ein Herr zusätzliche Knoten nachträglich einfügte, und der Ausstellung.
Von der Teppichknüpferei wollte ich dann weiter in das Ã-rtchen Jiyaxiang fahren. Ich stellte mich zur Bushaltestelle, wo ich abgesetzt worden war und fragte eine Wartende, ob der Bus in den genannten Ort fahren würde. Sie nickte, worauf ich mich freute, dass ich mit dem Bus dorthin fahren konnte. Bald kam auch schon der Bus, welcher zu meiner Üeberraschung allerdings nach Hotan zurück fuhr. So geht das mit der Verständigung auf Mandarin…
Ich machte das Beste aus der Situation und stieg in der Nähe der Brücke, welche über den Jade Drachen Kashgar Fluss (heisst der wirklich so?) führte. Grund waren die vielen Leute, welche mir beim ersten Üeberqueren im Flussbett aufgefallen waren. Jenseits der Brücke gab es eine grössere Menschenersammlung, worauf ich meinen Helfer gefragt hatte, ob es sich dabei um einen Basar handelt. Darauf nickte er und zog ein kleines Beutelchen mit Jade Steinen aus seiner Hosentasche. Mir wurde sofort klar, was die Leute im Flussbett taten: sie waren alle auf der Suche nach den wertvollen Steinen. In ganz Hotan findet man Shops, in denen geschliffene Jadesteine und daraus hergestellter Schmuck gekauft werden kann.
Um die Stadt noch etwas zu entdecken machte ich mich zu Fuss auf den Rückweg Richtung Stadtzentrum. Dabei stiess ich unter anderem auf den Sonntagsmarkt, welcher auch am Dienstag mit ziemlich viel Leben gefüllt war. Kreuz und quer lief ich durch das Marktgebäude und die Strassen, um etwas von der Atmosphäre mitzunehmen. Ich kann mir gut vorstellen, dass sonntags jeweils die Hölle los ist, andererseits war ich aber auch froh, mich für den Sonntagsmarkt in Yarkand entschieden zu haben, denn der hatte aus meiner Sicht etwas mehr eigentümlichen Charakter. Einmal mehr wurde mir die Tatsache der M&M’s bewusst: Märkte und Moscheen. Rund um den Markt und sogar mitten im Markt gab es Moscheen, welche von den Händler geradezu unzugänglich gemacht wurden. Jeder Händler musste natürlich den besten Standort haben und dieser liegt natürlich direkt beim Eingang.
Nach einem leckerein Saoman, entfernt verwandt mit Spätzle, allerdings mit Fleisch und Gemüse, war mein nächstes Ziel wieder ein Internet Café. Diesmal um den Blog-Post on Yarkand und die dazugehörigen Bilder hochzuladen. Dabei versuchte ich mein Glück in einem Internet Café welches ich im Laufe des Tages gefunden hatte und stiess beim Betreten des Lokals auf Tim, den Amerikaner, welchen ich in Kashgar schon getroffen hatte. Er liess mich wissen, dass er mit dem Nachtbus am selben Abend schon nach Kuqa (Kuche) fahren würde und rund einen halben Tag vor mir dort sein würde. Wir verabredeten uns, dass er versuchen würde ein Doppelzimmer zu einem guten Preis zu erhandeln, welches wir uns dann teilen könnten. Falls es klappen sollte, wäre das eine sehr angenehme Art und Weise zu einem Zimmer zu kommen, insbesondere weil meine Ankunft spät in der Nacht sein würde.
Da das Internet Café, in welchem Tim seine letzten vier Stunden verbracht hatte, keine Internet Verbindung bieten konnte, machte ich mich auf den Weg zum Internet Café, wo ich tags zuvor gewesen war. Dort funktionierte alles einwandfrei und der Blog konnte aktualisiert werden, auch wenn das aufgrund des veralteten Browsers ein mittelgrosse Herausforderung war (wer hat heute noch den Internet Explorer 6 auf seinem Rechner???).
Während einem weiteren kurzen Spaziergang genoss ich den dichten Schneefall, welcher mich immer wieder während des Tages begleitet hatte. Auch den Einheimischen schien die weisse Pracht zu gefallen, waren sie doch häufig mit ihren Smartphones draussen, um Fotos von sich im Schneefall zu machen. Auch den Imbissständen und den Verkäufern auf dem Markt konnte der Schnee nichts anhaben. Unbeeindruckt gingen sie ihren normalen Tätigkeiten nach.
Am Mittwoch morgen packte ich meine Sachen und ging zur nächsten Haustür, um zu prüfen, ob ich bereits meinen Rucksack in den Bus verstauen konnte, denn ich wollte diesmal für die Fahrt gerüstet sein und noch einige Dinge zum Essen und Trinken einkaufen. Der Bus war leider noch nicht da, so dass ich zur Gepäckaufbewahrung ging. Zu meiner Üeberraschung traf ich dort wieder auf Tim, der nicht den Bus am Abend zuvor genommen hatte, sondern zu jemandem nach Haus eingeladen wurde und deshalb die Weiterfahrt verschob. Das Abenteuer seinerseits war dann, dass die Polizei wohl Wind von der Aktion bekam und Tim dann im Internet Café übernachtete. Gemeinsam machten wir uns auf Shopping Tour, bevor wir gegen Mittag Ortszeit den Bus besteigen konnten.
Da gab es die nächsten Üeberraschungen: einerseits war der Bus ein Schlafbus. Das bedeutet, dass es keine regulären Sitze gab, sondern der Bus mit Betten gefüllt war. Drei Reihen von jeweils zwei Etagen an sehr schmalen und für meine Verhältnisse schon kurzen Betten. Die zweite Üeberraschung war, dass der Nachtbus wohl annuliert wurde, so dass die Leute vom Nachtbus ebenfalls auf diesen Bus umgebucht wurden. Wobei umgebucht bedeutet, dass einfach alle Leute in den Bus einsteigen sollten ohne Rücksicht auf die Reservierungen. Ich hatte einen teureren Platz in einem Bett unten gebucht, war dann aber auf Grund der besseren Aussicht oben gar nicht so unglücklich. Ausserdem verteidigte eine Chinesin den Platz unten militant für ihren Mann.
Da der Bus noch nicht komplett ausgebucht war, wurde noch eine halbe Stunde auf weitere Passagiere gewartet, bevor es dann tatsächlich losging. Es war eine grosse Herausforderung, die Schuhe, das Essen und sich selber auf diesem engen Raum unterzubringen. Aber irgendwie hat es dann doch geklappt, ohne dass Gliedmassen abgestorben sind.