Unser letzte Zwischenstop auf der Reise von Moskau nach Beijing mit dem Zug war Harbin. Die Hauptstadt der Provinz Heilongjiang hat viele Einflüsse in der Vergangenheit erlebt, die man heute noch in der Stadt sehr gut erkennen kann. Neben der russisch geprägten Altstadt ist es allerdings das Eis, welches die 10 Millionen-Stadt berühmt gemacht hat.
Bei Dunkelheit machten wir uns am 9. Januar auf den Weg zum Bahnhof in Irkutsk. Es fühlte sich an, als wären wir mitten in der Nacht aufgestanden, um unseren Zug nach Harbin im Nordosten Chinas zu erreichen. Doch der Eindruck trügte. Auf den Strassen war um 7:30 Uhr bereits sehr viel los und die Strassenbahn fuhr zu unserem Glück auch schon. Ohne Probleme erreichten wir den Zug 20 auf dem Weg von Moskau nach Beijing.
Das Timing war ausgezeichnet, wurde es rund 1 Stunde nach Abfahrt des Zuges hell und wir konnten die Strecke entlang des Baikalsees geniessen. Bei schönstem Wetter fuhr der Zug zwischen See und Bergen Richtung Osten. Draussen gab es die üblichen Birkenwälder, sibirischen Dörfchen und immer wieder einen Blick auf das unendlich scheinende Eis des riesigen Sees. Während es draussen frostig kalt war, mussten wir uns im Zug aller wärmenden Schichten entledigen, damit die 29°C auch erträglich waren.
Diesmal war kein Mittagessen im Fahrpreis inbegriffen, doch wir hatten gut vorgesorgt. Am ersten der zwei Tage an Bord des Zuges gab es den obligaten reräucherten Omul. Hatten wir den Fisch in Listvyanka und Irkutsk noch nicht probieren können, machten wir uns im Zug daran die Spezialität der Region auszuprobieren. Glücklicherweise für potentielle Mitfahrer waren wir alleine im Abteil, so dass wir mit dem Fischgeruch niemanden belästigten. Wir genossen den leckeren Fisch, nachdem wir uns eine Strategie entwickelt hatten, wie man die Gräte vom Fleisch lösen kann. Ein nicht triviales Unterfangen.
Nach dem vielen Schnee entlangs des Südufers des Baikalsees wurde der Schnee weniger und weniger je weiter wir uns am nächsten Tag vom See entfernten und uns in Richtigung Mongolei und China bewegten. Nach dem späten Frühstück erreichten wir auch bald Zabaikalsk, den Grenzort auf der russischen Seite in welchem die Drehgestelle unseres Zuges von der russischen Spurweite von 1,520m durch Drehgestelle der Chinesischen Spurweite von 1.435m gewechselt wurden. Die 5 Stunden, welche wir Zeit hatten flanierten wir etwas durch die «bezaubernde» Grenzstadt im Niemandsland. Vor Abfahrt assen wir noch eine Kleinigkeit im Bahnhofs-Buffet.
Der Ausreise-Check aus Russland war für uns dann doch auch ein bisschen amüsant. Die Russen begutachteten die Abteils sehr genau, sogar eine Leiter hatten sie zur Unterstützung dabei. Die Grenzerin prüfte auch unsere Ausweise aufs genaueste, man konnte ihr schön zusehen, wie sie die 7 oder so Merkmale einzeln überprüfte. Lenka und ich mussten beide aufstehen und unsere Gesichter wurden mit dem Pass abgeglichen. Wir mussten uns ganz schön zusammenreissen, um nicht laut zu lachen, so komisch war diese Üebung.
Auf der chinesischen Seite in Manzhouli, rund 20 Minuten Bahnfahrt weiter, kam dann die chinesische Kontrolle dazu. Dummerweise hatten wir unsere Mandarin und 2 Bananen auf dem Tischchen liegen, so dass diese gleich konfisziert wurden. Dabei lernten wir, was wir eigentlich alles nicht nach China einführen hätten dürfen. Nett war jedoch, dass das Gepäck nicht genauer kontrolliert wurde und wir somit 2 weitere Bananen dann doch noch essen durften. Der Witz der Geschichte ist, dass die Mandarin vermutlich aus Xinjiang in Westchina stammten und Re-Import gewesen wären…
Am nächsten Mittag, mit rund einer halben Stunde Verspätung trafen wir schlussendlich in Harbin ein. Wir machten uns sogleich auf den Weg zum Hotel, welches nur ein Häuserblock vom Bahnhof entfernt lag. Die Reservierung hatte funktioniert und ein schönes und sauberes Zimmer erhielten wir auch. Nach einer ausgiebigen Dusche, machten wir den sehr stark russisch geprägten Stadtteil Daoli, zwischen Bahnhof und Songhua Fluss gelegen, unsicher. Die Eisskulpturen in Mitten der Fussgängerzone gaben uns einen ersten Eindruck über die zentrale Stelle, welches das feste Wasser in Harbin im Winter einnimmt. Nach Einbruch der Dunkelheit schauten wir uns im Zhaolin Park sowie im Stalin Park entlang des Songhua Flusses die ersten Eisskulpturen an. Nicht so fein gearbeitet wie die Skulpturen, welche wir in Russland gesehen hatten, dafür einige Faktoren grösser. In Harbin ist Eis Baumaterial aus welchem man ähnlich wie mit Sandstein Gebäude und Monumente bauen kann.
Den zweiten Tag in Harbin widmeten wir den sibirischen Tigern. Der Tigerpark liegt etwas ausserhalb der Innenstadt, so dass wir ein Taxi bemühten, um dorthin zu kommen. Ich war überrascht, wie die Leute in Harbin, so auch der Taxifahrer, gleich beim ersten Mal verstanden, was ich ihnen in Chinesisch gesagt hatte. Anscheinend nicht umsonst gilt Harbin als die Stadt, in welcher man am besten Standard Mandarin lernen kann. Der Taxifahrer war sogar nett genug, um uns einige Sehenswürdigkeiten zu zeigen, so auch die mächtige Schneewand vor dem Harbin Ice and Snow Festival. Wir gaben uns zuerst allerdings uninteressiert, da wir einerseits erst einmal die sibirischen Tiger sehen wollten und andererseits der Meinung waren, wir hätten die Eisskulpturen am Vorabend bereits gesehen.
Im Tigerpark angekommen, machten wir erst die obligate Rundfahrt, in welchem man in einem Minibus durch die verschiedenen Gehege gefahren wird, um die verschiedenen Rudel von Tigern zu sehen. Da immer in Strassennähe Stroh gestreut waren, lagen die Tiere natürlich auch immer sehr nah und fotogen am Fahrzeug. Bei einem kürzeren Rundgang zu Fuss, konnten wir die Tiger dann in unserem Tempo besichtigen. Bekannt ist der Park auch dafür, dass man für eine Menge Geld Fleisch oder ganze Tiere kaufen kann, welche man dann den Tigern verfüttert. Entgegen der Angaben, welche wir hatten, war dieses «Spektakel» allerdings nicht allgegenwärtig.
Uns blieb nach dem Tigerpark noch knapp ein halber Tag, an welchem wir noch etwas unternehmen konnten. Etwas Recherche führte dazu, dass wir noch von dem richtigen Snow and Ice Festival erfuhren. Was wir im Zhaolin Park und Umgebung gesehen hatten, war nur ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen sollte. Per Bus fuhren wir den halben Weg in Richtung Innenstadt zurück, wo wir auf der Sun Island das richtige Festival fanden.
Wären sie nicht schon weiss gewesen, so wären die Skulpturen im Zhaolin Park erblasst vor Neid, von dem was wir da sahen! Die Türme, Schlösser etc. welche es da zu sehen gab, waren noch einmal um ein vielfaches grösser und schöner. Dies war das «richtige» Snow and Ice Festival! Bei Tages- und Abendlicht schlenderten wir durch die Strukturen aus Schnee und Eis und schauten den Kindern beim Rutschen auf den Eisbahnen zu.
Eine grosse Üeberraschung sollte allerdings noch folgen. Wir setzten uns in ein Café auf dem Festivalgelände und waren fast schon wieder bereit zu gehen, da traf die Familie Schaufelberger, gegenwärtig wohnhaft in Shanghai, ein. Als ehemalige Kollegen hatte man über die Jahre etwas Kontakt gehalten und sich mitterweile zum dritten Mal in China getroffen. China ist doch auch nur ein Dorf!
Gemeinsam drehten wir nach einer Tasse wärmendem Kaffee noch eine Runde durch die mittlerweile beleuchteten Skulpturen, ehe wir uns gemeinsam auf den Weg zurück in die Stadt machten. Essen aus der Gegend war das Motto für den Abend. Wir hatten uns ein Restaurant notiert, wo wir uns hinbegaben und neben leckerem Essen, in viel grösseren Portionen als erwartet, gab es auch noch live Unterhalten. Diese war für unseren Geschmack etwas laut. Gesättigt verabschiedeten wir uns von den Schaufelbergers, da sich unser Urlaub langsam dem Ende entgegen neigte. Der Zug nach Beijing fuhr schlussendlich um 21:34 und nach einer fast schlaflosen Nacht kamen wir kurz vor halb acht am beijinger Bahnhof an. Per U-Bahn und Bus kamen wir auch wieder nach Hause, wo bereits wieder viel Arbeit auf unser wartete…