Tashkent: Russisches Usbekistan

Nach den orientalischen Städten in Usbekistan war mit Taschkent ein grosser Wechsel angesagt. Die Hauptstadt des zentralasiatischen Staates zeigt sich mit seiner vorwiegend russischen Bevölkerung aber auch durch die Architektur ganz anders.

Für die Reise von Samarkand nach Taschkent hatte ich mich wieder für den bekannten Sharq-Express entschieden. Einerseits bietet dieser Zug eine effiziente Verbindung für einen angemessenen Preis, andererseits fuhr der Zug fahrplanmässig kurz nach 11 Uhr los, was einem einen gemütlichen Vormittag beschert. So nahm ich den Bus vom Registan zum Bahnhof, um dort dann eine ganze Weile auf den Zug zu warten. Dies hatte damit zu tun, dass ich wie gewöhnlich etwas früh da war, aber der Zug auch rund 20 Minuten Verspätung hatte.
Die freudige Erkenntnis kam dann aber im Zug, denn diesmal funktionierte auch die Heizung. Hatte ich von Bukhara nach Samarkand mit der dicken Winterjacke im Zug gesessen, war dies von Samarkand nach Taschkent nicht mehr nötig. Die Fahrgäste, die meisten von Ihnen von Bukhara nach Taschkent unterwegs, waren gemütlich eingerichtet und amüsierten sich bei einem synchronisierten Bollywood Film.
Nach rund 4 Stunden Fahrt trafen wir ohne Halt in Taschkent ein. Dort machte ich dann die ersten Erfahrungen mit dem Polizeistaat Usbekistan. Anscheinend nicht mehr so schlimm wie auch schon, denn man muss die Polizisten nicht mehr schmieren, machen sich die Militsiyas doch bemerkbar. Bei jeder Unterführung und U-Bahn Haltestelle steht mindestens eine uniformierte Person, die einem nach Lust und Laune etwas mehr oder weniger kontrolliert. Ich hatte gleich am Bahnhof beim Betreten der U-Bahn Haltestelle die Ehre meinen Reisepass vorzuweisen und Auskunft über verschiedene Dinge zu geben. Das Ganze verlief allerdings harmlos und kostete lediglich etwas Zeit.

Russische Architektur

Russische Architektur

Nach 6 Haltestellen U-Bahnfahrt war ich dann beim Chorsu Basar angelangt, von wo aus ich mich zu Fuss auf den Weg zum Gulnara B&B machte. Ich bekam sofort ein Zimmer mit Bad gezeigt, welches ich für den verhältnismässig hohen, jedoch vertretbaren Preis nahm. Hier liess sich leider mit Handeln gar nichts erreichen. Die Besonderheit: das Zimmer befand sich in der ersten Etage wofür der Wasserdruck nicht ausreichte, so dass vor dem Benutzen der Dusche immer jemandem Bescheid gegeben werden musste, dass die Wasserpumpe eingeschaltet wurde. Ansonsten gab es nur warmes respektive kochend heisses Wasser.
Der Verwalter des B&B hatte für mich gleich unangenehmere Neuigkeiten. Am folgenden Donnerstag dem 8. Dezember war der Tag der Verfassung und somit das offizielle Taschkent stillgelegt. Noch besser war seine Information, dass man in Usbekistan auch Brückentage kennt und somit viele Geschäfte und Einrichtungen für 4 Tage geschlossen sein würden. Er meinte die chinesische Botschaft würde sicher auch davon betroffen sein.

Inspiriert vom Nachbarn? Das Dom Forum

Inspiriert vom Nachbarn? Das Dom Forum

Durch die Aussage beschloss ich, am Donnerstag morgen erst einmal auszuschlafen und dann trotzdem meine Sachen für die Botschaft zu packen. Ich wollte einerseits wissen, wie lange die Fahrt von der Unterkunft zur Botschaft dauert, denn man sollte morgens spätestens um 8:30 dort sein, um weit vorne in der Schlange zu stehen. Andererseits war ich unverbesserlicher Optimist und glaubte dass vielleicht noch ein Wunder geschieht.
Das Wunder blieb leider in weiter Ferne, denn die konsularische Abteilung der Botschaft ist grundsätzlich nur montags, mittwochs und freitags von neun bis zwölf Uhr geöffnet, d.h. auch ohne Feiertag wäre ich vergebens da gewesen. Der Sicherheitsbeamte, welcher zum Glück etwas Englisch sprach, machte mir Mut für den kommenden Freitag, denn dann sollte die Botschaft für Visumsanträge geöffnet sein. Ebenfalls vielversprechend waren die Zettel am Zaun der Botschaft, welche Hinweise gaben, welche Anteile des Antrages auszufüllen seien und was als Tourist alles mitzubringen sei. Da ich alles zusammen hatte machte ich mir keine weiteren Sorgen und ging auf Entdeckungstour durch die Stadt.

Noch mehr Inspiration vom Nachbarn? Wenigsten kein Marmor...

Noch mehr Inspiration vom Nachbarn? Wenigsten kein Marmor...

Nach den orientalischen Städten Khiva, Bukhara und Samarkand ist man in Taschkent definitiv in der früheren Sowjetunion angekommen. Das moderne Stadtzentrum ist unverkennbar russisch geprägt. Weite Strassen mit viel Platz, Alleen und grosse Plätze mit mächtigen Bauten prägen die Umgebung. Das hat alles nicht zu tun mit den Plattenbauten, welche man vielleicht mit dem russischen Baustil verbindet, sondern es ist viel Platz und die Menschen wirken manchmal fast etwas verloren. Wer solche Städte aber kennt, weiss dass diese sehr freundlich und angenehm daherkommen.
Der erste Platz, den ich erkundete war der Amir Timur maydoni. Als riesiger Kreisverkehr angelegt, ziert der mittlerweile zum Volksheld verkündete Timur auf seinem Pferd das Zentrum. Nach Aussage von Einheimischen nutzt man Timur seit der Revolution um der Bevölkerung einen Nationalstolz einzuverleiben. Was man dabei verschweigt ist, mit welcher Brutalität der Herrscher zu seiner Zeit gegen seine Feinde vorgegangen ist.
Richtung Westen erreichte ich dann den Mustaqillik maydoni, den Unabhängigkeitsplatz, einen zentralen Park, auf der einen Seite vom Senatsgebäude begrenzt und von der Statue der weinenden Mutter geschmückt ist. In jeder grösseren Stadt in Usbekistan gibt es eine Statue der weinenden Mutter, welche vom Präsidenten Karimov zum Gedenken der gefallen Soldaten des zweiten Weltkrieges errichtet wurden. Interessanterweise ist bei den meisten Denkmälern zu lesen, dass sie auf Initiative des geehrten Hernr Karimov, Präsident von Usbekistan seit der Revolution und Verantwortlicher für den Polizeitstaat, erbaut wurden. Gegenüber Nyazov, dem früheren Präsidenten Turkmenistans, muss man ihm zu Gute halten, dass er nicht goldene Statuen von sich selbst erbauen lässt…

Das Monument der weinenden Mutter im Unabhängigkeitspark

Das Monument der weinenden Mutter im Unabhängigkeitspark

Die Passage vor dem Senatsgebäude war leider auf Grund der Feierlichkeiten gesperrt, so dass ich abdrehen musste. Dies war nicht weiter schlimm, denn dafür fand ich ein nettes Restaurant, wo ich mich zum Mittagessen niederliess.
Nach der Stärkung und weiteren Erkundungen im Stadtzentrum kam ich zurück zum Amir Timur maydoni, von wo aus ich mich auf den Weg Richtung Fernsehturm im Norden der Stadt machte. Dabei entdeckte ich gleich beim Fernsehturm einen netten Park, wo gerade Aufnahmen für ein Musikvideo gemacht wurden. Ich verkniff es mir, meine Dienste sowohl vor als auch hinter der Kamera anzubieten…
Um in die Stadt zurückzukommen, wollte ich wieder die Metro benutzen, wusste aber nicht, wo die nächste Haltestelle war. Die Rettung kam in Form eines Fecht-Trainers, mit dem ich meine paar Sätzchen Russisch üben konnte. So konnten wir uns über Herkunft, Beruf, etc. kurz austauschen. So fand ich dann auch die U-Bahnhaltestelle, wo ich auf meinen Lieblingspolizisten in Taschkent traf. Leider habe ich die Zeit nicht gestoppt, die er brauchte um wirklich alle meine Dokumente wie Pass, Visum und sämtliche Registrierungen durch die Hotels zu prüfen und zu schauen, ob es nicht vielleicht doch irgendwo eine Lücke gäbe. Dazu gilt es zu wissen, dass man sich in Usbekistan innerhalb von 3 Tagen und in jedem Ort, in dem man mindestens 3 Tage bleibt, beim OVIR (Office of Visas and Registration) zu melden hat. Bleibt man mindestens 3 Tage in der selben Unterkunft, übernimmt diese die Registrierung. Ist man allerdings mit Fahrrad und Zelt unterwegs, muss man sich selber um diese Registrierungen kümmern. Ich hatte zum Glück seit der Einreise eine lückenlose Historie von Registrierungen, das Visum war noch gültig und der Reisepass sowieso. Zu seinem Leidwesen musste mich dann der Polizist ohne grosse Diskussion gehen lassen.

Der Fernsehturm im Norden von Taschkent

Der Fernsehturm im Norden von Taschkent

In der Unterkunft traf ich auf Hannah und Damien aus England respektive Australien. Die beiden waren 122 Tage mit dem Fahrrad unterwegs, eine von voraussichtlich 3 oder 4 Etappen, welche sie von London (ihr Heimatort) nach Brisbane (sein Heimatort) bringen soll. Die beiden haben sich den Lebenstil angwöhnt einige Monate zu arbeiten, um dann wieder einige Monate zu reisen. Die erste Etappe der Radreise brachte sie von London nach Bukarest, diesmal fuhren sie von Bukarest nach Taschkent. Gezwungen durch die Kälte entschieden sie sich, die Reise für diesmal abzubrechen und auf direktem Weg über Moskau und Hong Kong nach Brisbane zu fliegen. Bemerkenswert fand ich bei den beiden, wie gerne sie ihre Vorurteile und Ansichten verändern lassen, wenn sie neues über Länder lernen. So war Hanna wohl zunächst überhaupt nicht begeistert von der Idee durch den Iran zu reisen. Mittlerweile würde sie gerne wieder dorthin zurückkehren, um das Land und die Leute genauer kennen zu lernen.
Gespannt blickte ich dann auf den Freitag. Wie würde es wohl verlaufen? Würde ich mein Visum für China erhalten? Für wieviele Tage würde es ausgestellt werden? Ich hatte in der Unterkunft nachgefragt, ob ich schon um 7 Uhr Frühstück haben könnte, auch wenn es offiziell erst ab 8 Uhr Frühstück gab. Der Manager meinte, er gibt der Dame Bescheid, dass sie kurz vor 7 Uhr da sein soll. Die Dame und ich drückten uns dann die Klinke an der Haustüre in die Hand, als ich mich auf den Weg machte, nachdem ich 20 Minuten vergebens auf das Frühstück gemacht hatte. Dabei hatte ich noch angeboten, komplett auf das Frühstück zu verzichten.

Weisheiten im Seattle Peace Park

Weisheiten im Seattle Peace Park

Die Fahrt zur Botschaft verlief dann so reibungslos, dass ich bereits um 8:10 dort war. Natürlich war ich der Erste. Die Vorstellung dann 50 Minuten in der Kälte auf die Ã-ffnung der Visumsstelle zu warten liess mich nicht gerade in Freudenstürme ausbrechen. Durch den Brückentag war wohl zu erklären, dass sich bis um 9 Uhr nur noch 3 Antragssteller zu mir gesellten. Um 9:20 ging schliesslich auch die Türe auf und ich konnte meinen Antrag abgeben. Zwei Kleinigkeiten wurden beanstandet, welche ich gleich korrigieren konnte. Üeberrascht war ich, als für das Visum plus Expresszuschlag nur 80 US$ fällig wurden, 40 US$ für das Visum und 40 US$ als Zuschlag. Die Bezahlung wäre beinahe noch schiefgegangen, den die Dame wies meine Dollarscheine zurück, weil beim Falt etwas Farbe beim Druck fehlte. Zum Glück hatte ich genau einen Schein, welcher ihren Anrpüchen genügte. So machte ich mich von dannen in der Hoffnung, dass nicht noch irgendein Problem auftauchen würde. Um 17 Uhr sollte ich zurück sein, um das Visum abzuholen.
Dann hiess es Abwarten und Teetrinken. Gerade letzteres tat ich an diesem Freitag ausgiebig, denn zunächst galt es sich wieder aufzuwärmen. Den zweiten Tee genehmigte ich mir, weil ich die Toilette in einem Kaffee nutzen wollte. Ok, die Torten sahen dort auch sehr lecker aus.

Usbekischer Stadtteil in Tashkent

Usbekischer Stadtteil in Tashkent

Ich wollte noch zwei Parks in Taschkent besuchen. Der erste war der Seattle Peace Park. Dies ist eine kleine Ecke im Bobur Park in der sämtliche Mäuerchen mit Fliessen dekoriert sind, die Ende der achziger Jahre von Kindern in Seattle in den USA und Taschkent gestaltet wurden, um für Frieden und gegen den kalten Krieg zu demonstrieren. Würde mich interessieren, was aus den Kindern geworden ist, die damals diese Fliessen gestaltet haben und was sie heute über diese Aktion und den Zustand der Welt denken.
Der letzte Park, den ich in Taschkent besuchte, war der Navoi Park. Auf dem Weg dorthin lief ich mehr aus Versehen in den usbekischen Teil der Stadt. Man merkt sofort, wie sich der Charakter der Stadt, das Strassenbild und die Häuser ändern. Auch sind plötzlich viel mehr Leute in den Strassen. Im Navoi Park war ich dann der Störenfried für viele Pärchen, welche sich ein wenig traute Zweisamkeit gesucht hatten. Ich konnte kaum 50 Meter gehen ohne wieder zwei Verliebte aufzuscheuchen.
Als ich den Navoi Park durchquert hatte, traute ich mich dann nur mit einer Kopie meines Reisepasses die U-Bahn zu benutzen. Der Polizist hinterliess bei mir den Eindruck, als wollte er das Papier auswendig lernen, so lange starrte er es an. Schlussendlich wurde ich freundlich verabschiedet und durfte die U-Bahn benutzen. Ich fuhr zurück zum Amir Timur maydoni, wo ich auf der Post noch einige Ansichtskarten los wurde. Der Herr am Schalter hinterliess bei mir allerdings den Eindruck, als hätte er das Geld in seine eigene Tasche gesteckt und die Ansichtskarten nur als Alibi gestempelt. Würde mich auf jeden Fall überraschen wenn nur eine dieser Karten ankommt.

Die Usbeken können beinahe meinen Namen richtig schreiben ;-)

Die Usbeken können beinahe meinen Namen richtig schreiben 😉

Kurz vor 17 Uhr schlug ich dann vor der chinesischen Botschaft auf, wo ich kurze Zeit später ohne weiteren Kommentar mein Visum entgegennehmen durfte. Anders als wenn ich das Visum in Europa beantragt hätte, habe ich 4 Monate Zeit zur Einreise. Was mich ebenfalls freute, war die Tatsache, dass ich die vollen 60 Tage Gültigkeite ab Einreise erhalten habe. Vielleicht hätte ich doch höher pokern sollen und gleich die maximalen 90 Tage beantragen sollen. Naja, die Verlängerung soll ohne Probleme möglich sein, daher machte ich mir keine weiteren Gedanken darüber.
Bei der Entgegennahme des Visum traf ich auf eine hektische Russin, welche über Kasachstan nach Urumqi in China einreisen will. Als ich ihr von meinem Plan erzählte, fing sie wild an rumzutelefonieren, weil sie noch jemanden von einem Reisebüro auf meinem Weg kennt und gleich Taxi etc. für mich organisieren wollte. Ich nahm gerne ihre Telefonnummern entgegen und war dann froh, als sie sich beeilen musste, um ihren Bus Richtung Kasachstan zu erwischen.

Navoi Park: hier fehlt was...

Navoi Park: hier fehlt was...

Auf Grund der positiven Entwicklung was das Visum für China betraf, machte ich mich auf, ein leckeres Abendessen zu organisieren. Seit einiger Zeit genoss ich mal wieder einen frisch gepressten Granatapfelsaft. Etwas säuerlich, aber lecker. Jetzt musste ich nur noch den Kopf wieder umstellen von Stadt geniessen auf weiterfahren und sich Gedanken über die nächsten Ziele machen. Plötzlich ging alles doch ganz flott.