Fergana: Traditionelles Usbekistan

Nach dem orientalischen und dem russischen, folgte in Fergana und Umgebung noch der dritte unterschiedliche Teil Usbekistans, der Traditionelle. Im Fergana Tal, dem landwirtschaftlich wichtigesten Teil Usbekistans, leben fast ausschliesslich ethnische Usbeken. Dies zeigt sich in der Kleidung, der Sprache und der Religion.

Das Fergana Tal, der östlichste Zipfel Usbekistans, bietet einige lohnenswerte Ziele. Auf Grund meiner beschränkten Zeit und des Timings entschied ich nach Fergana zu fahren, der Hauptstadt der Region. Andere Städte, wie zum Beispiel Kokand, bieten für den Touristen mehr, jedoch ergab es sich, dass am Sonntag ein riesiger Markt in der Nähe von Fergana stattfand, den ich natürlich nicht verpassen wollte.
Um ins Fergana Tal zu kommen, gibt es nur eine vernünftige Möglichkeit: Sammeltaxis. Wie so oft, fahren diese an einer bestimmten Stelle los, in Taschkent war dies für die Richtung Fergana Tal in der Nähe des Kuyluk Basars. Dieser liegt natürlich am anderen Ende der Stadt von meiner Unterkunft aus gesehen. Für einen anständigen Preis schaffte ich es bereits innerhalb von Taschkent ein Sammeltaxis für die Bewältigung der Distanz zu nehmen. Problem war nur, dass die Sammelstelle der Taxis nochmals ein gutes Stück weiter war, wo mich der Fahrer für einen verhältnismässig hohen Preis mitnahm. Den einen Dollar konnte ich aber verkraften.

Taschkent: Und sie alle buhlen um Fahrgäste ins Fergana Tal

Taschkent: Und sie alle buhlen um Fahrgäste ins Fergana Tal

Direkt bei der Ankunft wurde mein Taxi dann von zig Personen umringt, welche mir alle eine Transportmöglichkeit anbieten wollten. Man muss da etwas vorsichtig sein, denn einer ist der erste, mit welchem man verhandeln darf, passt das Angebot nicht, kann man immer noch weiterfragen. Ich ging sofort mit meinem ersten Handelspartner mit, denn vermeintlich stimmte der Preis. Problem war nur, was ich beim Nachhaken herausfand, dass er von Dollar sprach und ich von Som. Das bedeutete, dass er einen 2,5 Mal höheren Preis erwartete. Gut hatte ich das noch angesprochen, so dass ich den Preis noch korrigieren konnte. So war zum Schluss der Preis nicht ganz optimal aber immerhin vertretbar und ich durfte vorne im Auto sitzen und musste mich nicht zu dritt auf die Rückbank quetschen. Was als Kind immer im Streit mit dem Bruder endete klärt sich in Usbekistan ganz einfach über den Geldbeutel.

Gute Laune bei der Fahrgemeinschaft

Gute Laune bei der Fahrgemeinschaft

Die Fahrt führte von Taschkent Richtung Südosten über Angren, wo wir unseren Mittagshalt machten, und über den Kamtschik Pass nach Kokand und Fergana. Da im Jahre 2005 im Fergana Tal grössere Unruhen mit heftigen Demonstrationen herrschten, weist die Region auch heute noch eine erhöhte Polizeipräsenz auf. Insbesondere die Stadt Andijon, damals Zentrum der Aufstände, soll davon betroffen sein. Die Auswirkung auf meine Fahrt war, dass ich mich bei der Üeberquerung des Kamtschik Passes registrieren lassen musste, ein Prozedere das ich von Turkmenistan zur Genüge kannte und diesmal der Fahrer für mich übernahm.

Autobahnrastätte in Angren

Autobahnrastätte in Angren

Dank der beiden Damen im Auto war genügend Unterhaltung vorhanden, denn die beiden Doktorandinnen der Elektrotechnik hatten sich sehr viel zu erzählen. Ausserdem wagten sie sich mit Fortschritt der Fahrt auch immer mehr Englisch zu sprechen, sehr zu meiner Freude. Wo ihr Englisch dann nicht mehr weiterreichte konnte ich hie und da mit meinem Russisch oder Usbekisch ergänzen, zum Beispiel als sie mir in Kokand den Palast des lokalen Khans zeigten. Da ist es praktisch, wenn man schon im Iran und in Usbekistan diverse Args oder Arks gesehen hat.

Bauarbeiten beim Kamtschik Pass

Bauarbeiten beim Kamtschik Pass

Die fünf Stunden, die der Fahrer mir angab waren doch sehr optimistisch, wobei ich ausser seinem Fahrstil keinen Grund bemerkt habe, weshalb die Fahrt über eine Stunde länger gedauert hat. Dafür wurde dann jeder Insasse einzeln bei seiner Unterkunft abgeliefert. Dies war für mich insofern praktisch, da die Unterkunft, welche ich mir ausgesucht hatte bereits geschlossen war und ich die zweite Unterkunft ohne seine Hilfe mit Anruf bei der Gastgeberin wohl nie gefunden hätte. Falls jemand in Zukunft in Valentina’s Guesthouse übernachtet, vorher anrufen und einen Treffpunkt ausmachen. Wie bei Maidas in Mostar ist das Guesthouse nämlich eine unbeschilderte Wohnung in einem Wohnblock. Die ruinenartige Atmosphäre tut ihr übriges, dass man da niemals eine gemütlich Unterkunft erwarten würde.
Nach dem Sammeltaxi-Tag am Samstag war am Sonntag Markt-Tag. Aus dem Reiseführer hatte ich die Information, dass in einem Nachbarort von Fergana, in Kumtepa jeweils donnerstags und sonntags ein riesiger Markt stattfindet. Die Stadt Margilon, in deren Nähe Kumtepa liegt, gilt es eine der konservativsten Städte in Usbekistan. Rein optisch ist dies durch die Kleider der Leute erkennbar, denn viele sind im einheitlichen traditionellen Look unterwegs.

Kumtepa Basar: Nette Verkäuferin

Kumtepa Basar: Nette Verkäuferin

Der Markt von Kumtepa ist einmal mehr ein Highlight was Märkte betrifft. Einerseits ist das Angebot überwältigend, andererseits sind die Leute trotz geschäftigen Handelns entspannt und auch gegenüber den wenigen Touristen, die sich hierher verirren sehr offen. Mehrere Verkäufer stellten sich freudig vor die Kamera und bedankten sich sogar, wenn man ein Foto von ihnen gemacht hatte und es ihnen gezeigt hatte.
Was das Angebot betraf so gab es die üblichen Lebensmittel zu kaufen. Diese umfassten das gesamte Angebot der Natur im Fergana Tal, von Kartoffeln, Möhren und Zwiebeln über diversestes Obst bis hin zu Nüssen und Reis. Ebenso gab es wieder reichlich grosse Säcke mit Gewürzen zu bewundern. Ebenfalls gab es die Ecke, wo Fleisch und Würste verkauft wurden.

Kumtepa Basar: Freundlicher Verkäufer von getrockneten Früchten

Kumtepa Basar: Freundlicher Verkäufer von getrockneten Früchten

Bei den Kleidungsartikeln ging das Angebot von Schuhen und Stiefeln über Hosen und Jacken, bis hin zu den typischen Kopfbedeckungen. Auch mir wollten sie einen neuen Hut andrehen, ich war aber mit meiner original Adidas Mütze aus Turkmenistan immer noch hoch zufrieden. Auc bunte Tücher und Stoffe am Meter gab es reichlich im Angebot, ebenso Seide, welche in der Region intensivst produziert wird. Usbekistan ist weltweit der drittgrösste Seidenproduzent. An einem anderen Wochentag hätte ich noch eine Führung durch eine der zahlreichen Seidenfabriken in Margilon angehängt.

Kumtepa Basar: Der Hut, der steht dir gut...

Kumtepa Basar: Der Hut, der steht dir gut...

Immer wieder faszinierend sind für mich auf diesen Märkten der Abschnitt mit den technischen Produkten. Schwerpunkt ist meistens das Auto, wofür es diverseste Ersatzteile, neu und gebraucht, gibt. Selbst Motoren werden ausgeschlachtet und die Einzelteile verkauft. Das System funktioniert deshalb in Usbekistan sehr gut, weil der Automarkt schwerpunktmässig aus drei oder vier Modellen besteht, welche auch im Fergana Tal, in Andijon, produziert werden.

Kumtepa Basar: Ersatzteile gefällig?

Kumtepa Basar: Ersatzteile gefällig?

Irgendwann hatte ich dann genug von Markt in Kumtepa und nahm den Bus zurück nach Fergana, wo ich gleich durch den nächsten Basar stolperte. Dabei stiess ich auf ein nettes Restaurant mit Selbstbedienung, wo ich mir gemütlich das Mittagessen gönnte.
Den Nachmittag wollte ich dann nutzen, um die Stadt Fergana etwas genauer anzuschauen, aber wie so oft schon während dieser Reise, kam etwas resp. jemand dazwischen. Diesmal war es Abbas, ein Student der usbekischen Literatur, der im Nebenfach Englisch lernt. Er behauptete von sich, 5000 – 6000 englische Wörter zu kennen. Ich war mir nach unserer doch längeren Unterhaltung nicht sicher, ob er sich da in der Grössenordnung vertan hatte und eher 500 – 600 meinte. Auf jeden Fall hatten wir eine nette Diskussion, während wir durch die Stadt schlenderten, wobei er mir noch die Studentenheime, mindestens von aussen, zeigte. Auch Abbas hat vor später im Ausland zu studieren und zu arbeiten. Auf meine Frage hin, was er denn tun möchte, meinte er, er könnte sicher in Europa usbekische Literatur lehren. Ich teilte ihm dann mit, dass der Bedarf vermutlich nicht immens sein wird. Am späteren Nachmittag verabschiedeten wir uns und ich machte mich auf den Weg zurück zu meiner Unterkunft, wo ich mich etwas ausruhte.

Kumtepa Basar: Reges Treiben auf dem Kleidermarkt

Kumtepa Basar: Reges Treiben auf dem Kleidermarkt

Den Abend nutzte ich dann ausser fürs Nachtessen dafür, Fotos auszusortieren und Blog-Post zu schreiben.
Am Montag morgen packte ich den Rucksack und beim Bezahlen der Unterkunft stiess ich dann endlich auf das französische Pärchen, das seit 3 Nächten in der selben Unterkunft hauste. Wir tauschten uns kurz aus, jedoch waren die beiden doch eher unter Stress, den sie wollten am selben Tag nach Kokand fahren, die Stadt besuchen und dann nach Tashkent weiterfahren, um hoffentlich ihr turkmenisches Transitvisum entegegen zu nehmen. Zusammen machten wir uns auf den Weg Richtung Basar, bei welchem jeglicher Transport zu finden ist. Dabei erfuhr ich von den beiden, dass sie in Istanbul gearbeitet hatten und von dort losgereist sind. Ihr Route führte nördlich am kaspischen Meer nach Zentralasien und nun sind sie auf dem Weg Richtung Iran und Pakistan, um später über Indien und weitere Länder nach China zu reisen. Der Plan dieser beiden ist, ingesamt ungefähr 11 Monate unterwegs zu sein. Dadurch dass beide türkisch sprechen haben sie auf jeden Fall einen Vorteil in Zentralasien, denn alle lokalen Sprachen sind sehr eng mit dem Türkischen verwandt. Dies wäre auch meine Strategie, wenn ich die Reise wiederholen würde: ich würde auf Russisch verzichten und mir dafür etwas Türkisch aneignen, denn mit dieser Sprache kommt man weiter. Was sich auf jeden Fall auch lohnt, ist das kyrillische Alphabet zu lernen.

Kumtepa Basar: Bunte Stoffe und Tücher

Kumtepa Basar: Bunte Stoffe und Tücher

Beim Basar musste ich dann rund 5 Minuten warten, bis ein Marschrutka nach Andijon auftauchte. Nach einer Viertelstunde war der Minibus dann voll und fuhr los Richtung Andijon. Was ich aus dem Bus sah, hätte zum längeren Verweilen eingeladen. Schöne Dörfchen und immer wieder Basars, sowie ausgedehnte Obstplantagen waren da zu sehen. Ich kann auf jedenfall jedem, der Usbekistan besucht das Fergana Tal ans Herz legen, denn dies bietet zu den bekannten Städten einiges an Abwechslung und nochmals ein ganz anderes Bild des Landes. Auch die Leute im Fergana Tal sind aus meiner Sicht noch offener und gastfreundlicher als im Rest Usbekistans. Im Marschrutka wollten einige wissen, wo ich herkam und was meine Pläne waren. Eine Frau, welche in der selben Reihe sass schenkte mir zum Abschied einen Apfel.

Kumtepa Basar: Das verstehen Usbeken unter Frischfleisch

Kumtepa Basar: Das verstehen Usbeken unter Frischfleisch

In Andijon kam meine Weiterreise kurzzeitig ins Stocken. Laut Reiseführer gibt es reichlich Transportmöglichkeiten von der Stadt zur kirgisischen Grenze. Entweder war jedoch mein Timing so schlecht oder diese Aussage stimmt nur für die warme Jahreszeit. Der Fahrer wollte mich für einen Wucherpreis alleine fahren. Ich musste sowohl ihm, wie auch später seinem Vater klar machen, dass ich kein Interesse daran hatte und er noch 3 Mitfahrer auftreiben sollte. Dies dauerte dann geschlagene 2 Stunden, vermutlich genau die Mittagszeit in Andijon. um zwanzig nach eins fuhren wir dann los und erreichten, nach einem kurzen Fahrzeugswechsel kurz vor der Grenze, um 14 Uhr die Grenze.

Kumtepa Basar: Auch Brot will richtig ausgewählt sein

Kumtepa Basar: Auch Brot will richtig ausgewählt sein

Da es wenig Interesse an einer Fahrt zur Grenze gab, erwartete ich auch eine kurze Schlange dort. Schlussendlich warteten rund 30 Personen vor mir am Tor. Die Zöllner hatten wohl noch Mittagspause, dass zunächst nur alle paar Minuten eine Person die Grenzstation betreten durfte. Plötzlich ging es dann schneller und das grosse Gedränge ging los. Insbesondere die älteren Damen hatten es eilig. Irgendwann kam ich auch an die Reihe und durfte bei der ersten Passkontrolle kurz erklären, wie ich durch Usbekistan gereist bin.

Kumtepa Basar: Genaues Betrachten der Ware und intensives Verhandeln

Kumtepa Basar: Genaues Betrachten der Ware und intensives Verhandeln

Danach kam einmal mehr die Zolldeklaration. Ich wusste, dass die Geldbeträge kleiner sein mussten, als bei der Einreise, worauf ich mich durch entsprechendes Packen vorbereitete hatte. Beim Ausfüllen des Formulars wurde ich von einem Paar gefragt, ob ich das Formular für sie ausfüllen könnte. Die Sache war mir dann aber zu riskant, denn ich wusste auch nicht, was ich bei den beiden hätte schreiben müssen. Dafür durften sie meinen Kugelschreiber behalten. Der Zollbeamte wies dann insbesondere die älteren Damen immer wieder an, dass sie sich brav in die Reihe stellen sollten. Gegenüber allen Befürchtungen, durfte ich ohne mein Geld vorzuzählen weitergehen.

Transportmöglichkeiten beim Basar in Fergana

Transportmöglichkeiten beim Basar in Fergana

Die Gepäckkontrolle war diesmal jedoch weniger harmlos. Denn der nächste Zollbeamte wollte tatsächlich den ganzen Inhalt des Rucksacks sehen. Zu meinem Glück wurde er nach etwas der Hälfte der Kontrolle von jemandem abgelenkt, so dass er mir zuwinkte und meinte es sei alles in Ordnung und ich könnte wieder einpacken. Dies tat ich natürlich gerne und machte mich sogleich auf zur letzten usbekischen Passkontrolle, wo ich den Ausreisestempel verpasst kriegte und mich auf den Weg zum kirgisischen Grenzposten machen durfte. Mich wunderte, dass der letzte Zollbeamte meine ganzen Registrationen der Hotels nicht sehen wollte. Gerade deswegen machen seine Kollegen woll öfters ein Riesentheater. Die ganze Geschichte dauerte rund anderthalb Stunden.

Jede grössere Stadt in Usbekistan hat ein eigenes Riesenrad

Jede grössere Stadt in Usbekistan hat ein eigenes Riesenrad

Die Kirgisen waren dann sehr freundlich, nahmen meine Einreise zur Kenntnis, stempelten den Pass und das war’s. Die Einreise hatte nicht einmal 10 Minuten gedauert. Der ganze Grenzübertritt zeigte einmal mehr, welch ein Polizeistaat Usbekistan eigentlich ist. Wenn man auf der Touristenroute unterwegs ist, sieht man abgesehen von Taschkent, nicht viel davon. Aber gerade die Ein- und Ausreise sind ein sehr guter Beweis für die Kontrollmanie des Staatsapparates.
Einmal in Kirgisien angekommen wechselte ich gleich hinter der Grenze etwas Geld, um wenigstens die Busfahrt nach Osh bezahlen zu können. Zum Glück hatte ich mir die wichtigsten Eckdaten notiert, wie ich vom Basar zu meiner Unterkunft komme, weshalb ich die Taxis ignorieren und ein viel günstigeres Marschrutka zum Basar nehmen konnte.
Jetzt galt es sich wieder umgewöhnen, denn rein äusserlich gibt sich Usbekistan viel gepflegter als Kirgisien. Auch die Bauruinen in Kirgisien fielen sofort auf. Auf der anderen Seite musste ich mich wieder an eine vernünftige Währung gewöhnen, Schluss war mit den Geldstapeln, welche den halben Rucksack füllten. Das einzige was beinahe gleich blieb war die Sprache.