Kappadokien: Let’s Rock

Eines war von Anfang an klar: auf meiner Reise würde ich definitiv nach Kappadokien kommen. Die Bilder der Felsformationen hatten mich so beeindruckt, dass ich diese ungewöhnliche Laune der Natur auf jeden Fall sehen musste. Und zwar von allen Seiten.

Das Epizentrum des Tourismus in Kappadokien ist das Dörfchen Göreme mit rund 2000 Einwohnern. Die Anzahl der Touristenbetten dürfte in einer ähnlichen Grössenordnung liegen. Auf Grund der Grösse gibt es aus keinem Teil der Türkei direkte Busse in dieses Dörfchen, die zwei wichtigsten Busunternehmen in der Region (Metro Turizm alles gesamttürkisch operierendes Unternehmen und Nevsehir Seyahat) haben sich zusammengetan und bieten Shuttle-Services von den grösseren Städten nach Göreme an.
Früh morgens hatte ich mich vom Hotel Mithat auf den Weg zum Busbahnhof gemacht. Diesmal wusste ich alles, was es für eine erfolgreiche Bewältigung der Distanz brauchte: was die Fahrkarte kostet, wo ich ein-, um- und aussteigen musste, sowie wie lange es ungefähr dauern würde.
Dies Busfahrt war dann gewohnt angenehm, wieder inklusive Getränkeservice und einem kleinen Snack. In Nevsehir, der Stadt in der ich auf das Shuttle umsteigen musste, lief einwandfrei, obwohl ich einige nette Leute abwimmeln musste, welche mir im Terminal irgendwelche speziellen Angebote unterbreiten wollten.

Das Städtchen Göreme

Das Städtchen Göreme

Am Busbahnhof holte ich mir bei der Tourist Info erst einmal ein Stadtplänchen ab, bevor ich mich auf den Weg zur Rock Valley Pension machte, mein zuhause für die folgenden 3 Nächte. Es war gerade mal 14 Uhr, so dass ich Zeit hatte, diese märchenhafte Landschaft in Kappadokien zu erkunden. Ich stieg erst einmal aus dem Tal, in welchem Göreme liegt, auf den einen Hügel, um einen Üeberblick über das Dorf und die Umgebung zu erhalten. Ein kleiner Rundgang durch das Zemi Tal hängte ich gleich mit an. Herrlich, diese Felsformationen im warmen Abendlicht anzuschauen.
Am Abend machte ich mir Gedanken über die nächsten Tage in Kappadokien und wann ich weiter Richtung Osten reisen will. Ich entschied mich für einen individuellen Tag am Mittwoch, einen geführten Tag am Donnerstag und eine Ballonfahrt am Freitag.
Der Mittwoch begann mit einem Spaziergang zum Göreme Open Air Museum, einem Freilichtmuseum, welches einen Gebäudekomplex zeigt, dessen Anfänge in das 10. Jahrhundert zurückreichen. Die Gebäude sind hier in den Fels gehauen worden, was die Spezialität der Gegend darstellt. Dazu gehören auch diverse Kirchen, von welchen zwei mit besonders schönen Fresken noch erhalten sind.

Gesteinsformationen im Zemi Tal

Gesteinsformationen im Zemi Tal

Wie immer, wenn es etwas eindrückliches zu sehen gibt, war ich nicht alleine, sondern die Reisebusse drängten sich zu Dutzenden auf den Parkplart des Museums. Ein Grund für mich das Museum dann auch recht schnell wieder zu verlassen und mich zu Fuss auf den Weg Richtung Cavusin zu machen. Auf direktem Weg sind dies mit 4 Kilometern eine knappe Stunde Spaziergang, auf meine Art und Weise dauerte die Üebung 3 Stunden. Anstatt mich direkt nach Cavusin zu machen, wählte ich den Weg über das Kilclar Tal, um dann bei erster Gelegenheit nach rechts abzubiegen und das Zinandönü Tal hoch zu wandern. Beim Tunnel drehte um, um dann gleich wieder rechts abzubiegen und dem Meskendir Tal und am Ende dieses Tals die Berge zu erklimmen. Von dort folgte ich einem Pfad hoch über den Tälern, vorbei am Red Valley (Kizilcukur) ins Rose Valley (Güllüdere).
Bei dieser Wanderung gab es eine zentrale Schwierigkeit: die Navigation. Von der Tourist Info hatte ich eine handgemalte Karte und an den Felsen gab es hie und da hingesprayte Wegweiser. Diese waren jedoch gerade an den zentralen Stellen mehr verwirrend als hilfreich. Zeigten sie doch teilweise in entgegengesetzte Richtung zum selben Ziel… ausserdem werde ich den Verdacht nicht los, dass die Wegweiser so manipuliert wurden, dass man auf jeden Fall an der ein oder anderen Gaststätte vorbeikam, egal wo man hinwollte.
Da es sehr viele Trampelpfade gab, wählte ich einfach immer denjenigen Weg, welcher in die von mir vermutete Richtung führte und am meisten Fussabdrücke aufwies. Irgendwann kam auch ich an einer Gaststätte vorbei, wo ich mir eine frisch gepresste Saftmischung aus Orangen und Granatäpfeln genehmigte. Der Junge hatte dann auch noch seine private Kirche zu präsentieren, welche aber auf keiner offiziellen Lsite auftaucht…

Eine unbenannte Felsenkirche bei Göreme

Eine unbenannte Felsenkirche bei Göreme

Schlussendlich fand ich dann auch den Weg nach Cavusin. Dort verpasste ich gerade um 3 Minuten den Bus, welcher mich nach Uchisar bringen sollte. Zum Glück gibt es jede Stunde eine Verbindung und direkt am Bushalt eine Einkehrmöglichkeit. Der Gastgeber war bis vor 25 Jahren für 10 Jahre in Deutschland tätig, welches endlich wieder einmal eine einfache Kommunikation mit einem Einheimischen ermöglichte. Falls jemand in Cavusin aufschlägt, geht doch einfach bei Ali an der Hauptstrasse Pide essen und richtet einen Gruss von mir aus. Kontaktdetails gibt es bei mir.
Den Bus um Viertel nach drei erwischte ich dann ohne Probleme. Auch meinen Zielort verpasst ich nicht, worauf ich wieder mit einer Busladung französischer Touristen das vergnügen hatte die Burg von Uchisar von aussen zu besichtigen. Den Eintritt von 5 TL wollten die Franzosen dann allerdings sparen, so dass ich der einzige in der Burg drinnen war. Der einzige Grund, warum sich der Eintritt lohnt: die fabelhafte Aussicht. Der Fels von Uchisar ist der höchste Punkt in der Umgebung und bietet eine Aussicht auf Nevsehir im Westen, bis nach Üergüp im Osten und bis nach Avanos im Norden. Weit unten liegt Göreme und die berühmten Felsen.

Die Burg von Uchisar

Die Burg von Uchisar

Der Rückweg nach Göreme sollte dann wieder ein kleines Abenteuer werden. Ich beschloss mich, die Distanz von rund 3 Kilometern unter die Füsse zu nehmen. Ein Verkäufer von Trockenfrüchten direkt vor der Burg von Uchisar hatte mir in gebrochenem Englisch erklärt: 500m ins Tal und 3km dem Tal folgen. Die ersten 500m waren kein Problem, musste ich nur irgendwie einen Weg nach unten finden. Bei den vielen Trampelpfaden kein Problem. Im Tal wurde es aber nach ca. einem Kilometer richtig anspruchvoll: mein Weg endet an einer Felswand, an der ich nur mit Drahtseilsicherung entlang gegangen wäre. Unter mir stürzten die Felsen mindestens 20 Meter in die Tiefe. Ich tat, was ich in solchen Fällen nur sehr ungern tue: umdrehen. Bei der nächsten Gelegenheit suchte ich dann einen Weg nach oben. Irgendwie schaffte ich es dann doch, mit einer kleinen Klettereinlage, etwas weiter Richtung Göreme wieder den Talboden zu erreichen und auf dem Fahrweg den Weg sicher unter die Füsse zu nehmen. Für ähnliche Experimente rate ich den umgekehrten Weg zu nehmen: von Göreme hoch nach Uchisar. Mit Einbruch der Dunkelheit kam ich dann wieder bei meiner Unterkunft an. Tags zuvor hatte ich auf einer Speisekarte Spaghetti gelesen, worauf ich dann Lust hatte. Ich erwähnte dies gegenüber dem Besitzer der Rock Valley Pension, welcher meinte, er hätte noch Spaghetti übrig von seinem Abendessen, sie seien allerdings etwas scharf. Da ich schon genügend Bewegung für den Tag hatte, nahm ich das Angebot dankend an. Die Spaghetti waren allerdings sehr scharf, aber die Schärfe konnte ich dann mit einem halben Liter Bier erfolgreich runterspühlen.
Wenn man sich schon einmal in einer Touristenregion befindet, darf man sich auch getrost als Tourist benehmen. Dies tat ich am Donnerstag in Form einer organisierten Tour zu einigen Sehenswürdigkeiten in Kappadokien.
Zur besseren Vergleichbarkeit der Preise greifen die Touranbieter auf die selben Bezeichnungen zurück. So gibt es neben der Möglichkeit Kappadokien vom Heissluftballon aus zu erkunden eine rote und eine grüne Tour. Ich entschied mich für die grüne Tour, welche den Besuch der unterirdischen Stadt von Derinkuyu, des Ihlara Tals, des Selime-Klosters und zuletzt einer Steinmanufaktur mit angehängtem Shop umfasst.

Die unterirdische Stadt von Derimnkuyu: Besprechungshalle

Die unterirdische Stadt von Derimnkuyu: Besprechungshalle

Die Teilnehmer der Tour wurden bei ihren Unterkünften eingesammelt und pro Gruppe gab es dann einen Minibus. Die unterschiedlichen Veranstalter waren auf den selben Routen unterwegs, so dass man auch bei der Konkurrenz etwas reinschuppern und die Unterschiede zur eigenen Tour feststellen konnte. Das Resultat war, dass bei uns die Erklärungen eindeutig besser und motivierter waren, wir stattdessen nur sehr wenig eigene Zeit zur Erkundung der Sehenswürdigkeiten hatten.
Die Teilnehmer kamen aus den unterschiedlichsten Ländern. So waren es in meiner Gruppe 2 Spanierinnen, 2 Italienerinnen, ein türkisches Pärchen, 4 Koreaner, 1 Japaner, 3 Australier, 1 Amerikaner und ich. Der Japaner, welcher mit dem Fahrrad aus China angereist war, war leider Teil der roten Tour. Mit ihm hätte ich mich gerne etwas ausgetauscht. Leider habe ich ihn am Abend auch nicht mehr getroffen.
Während des Tages unterhielt ich mich mit Derek, einem australischen Lehrer aus der Gegend von Canberra, der Hauptstadt Australiens. Schwerpunkt seiner Reise in die Türkei war die Wanderung auf dem Lyccian Way. Er hat nun noch zwei Wochen zu vertreiben, bis er wieder in Istanbul seinen Rückflug antreten muss. Ein intensiver Austausch über die diversesten Themen begleitete uns den ganzen Tag. Eine Gemeinsamkeit war, dass wir beide an der Tour teilgenommen haben, weil es die einfachste (oder auch einzige) Möglichkeit ist, die Sehenswürdigkeiten mit angemessenem Aufwand anzuschauen. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln wären die Besuche teilweise nicht vernünftig möglich (aber nicht unmöglich) gewesen.
Der erste Stop der Tour war die unterirdische Stadt von Derinkuyu. Diese ist eines von den vielen Höhlensystemen, welches rein durch menschliches zutun über Jahrhunderte entstanden ist. Zum Schutz vor Feinden wurden sehr komplexe Höhlensystem geschaffen, welche über mehrere Etagen reichen. In Derinkuyu sind es 20 Etagen, von welchen 8 besichtigt werden können. Der Rest ist nicht zugänglich und wird aktuell auch nicht weiter erforscht.

Die unterirdische Stadt von Derinkuyu: Massen von Touristen

Die unterirdische Stadt von Derinkuyu: Massen von Touristen

Die Höhlensystem bieten alles, was ein modernes Bauernhaus auch bietet, plus ein paar Extras. So gibt es neben Wohnräumen und Küchen auch Besprechungshallen, Vorratslager, Ställe und natürlich auch ein ausgeklügeltes Lüftungssystem. Die Gänge zwischen den Räumen sind sehr eng und teilweise auch sehr niedrig. Definitiv nichts für klaustrophobe Leute. Sobald all die Tourgruppen eingetroffen sind, geht es in den Gängen auch wieder richtig hoch her und die Touristen treten einander beinahe auf die Füsse.
Von Derinkuyu ging unsere Fahrt dann weiter zum Ihlara Tal. Die Besonderheit dieses Tals stellt dar, dass es eine Schlucht mit beinahe senkrecht abfallenden Wänden ist. Hierbei handelt es sich ebenfalls um Gesteinsformationen, welche aus den vulkanischen Aktivitäten vor einigen Millionen Jahren entstanden sind, allerdings ganz andere, als in Göreme. Wir durchqueren einen Teil des Tals zu Fuss, um zu unserem wolhverdienten Mittagessen zu kommen. Derek und ich erkunden noch für ein paar Minuten das Dörfchen Belisirma, bevor wir uns mit den anderen an den Tisch setzen. Das Mittagessen ist dafür, dass es im Tourpreis inbegriffen ist, erstaunlich ausgiebig. Dafür greift der Wirt bei den Getränken wieder entsprechend zu, was aber zu erwarten war.

Das Ihlara Tal

Das Ihlara Tal

Erster Stop am Nachmittag ist das Selime-Kloster. Dieses zeigt auf eindrückliche Weise, welche immensen Bauwerke vor hunderten von Jahren in Kappadokien in den Fels gehauen wurden. So gibt es nebeneinander Kappelle, Kirche und Kathedrale, sowie Schulräume, Aufenthaltsräume und eine Küche. Die Erklärungen sind ausführlich, die 10 Minuten eigene Zeit reichen aber gerade mal um ganz kurz in jeden Raum zu schauen.
Auf der knapp einstündigen Fahrt zur Steinmanufaktur schlafen dann die meisten Teilnehmer der Tour ein. Und dann folgt der Kommerz: eine kurze Vorführung, wie der Onyx geschliffen wird und dann haben wir die längste Freizeit des Tages im Shop der Manufaktur. Schön sind sie schon die Gegenstände, der Gedanke Steine nach China zu tragen hält mich aber vom Kauf von Souvenirs ab.

Selime Kloster

Selime Kloster

Zurück im Hostel unterhalte ich mich dann länger mit Karl, einem 69-jährigen Deutschen, der ein Buch über die Türkei schreibt und als Profifotograf auch die Bilder selber schiesst. Von ihm erfahre ich einige wertvolle Infos über die Türken und ihre Kultur. So zum Beispiel, dass die Türken ein Volk sind, welches Informationen ausschliesslich mündlich weitergibt. So sieht man zum Beispiel Türken sehr selten lesen und auch das Nichtvorhandensein von Fahrplänen oder vernünftigen Linienplänen bei Stadtbetrieben erklärt sich von selbst. Dafür muss man mit den Türken sehr viel sprechen, damit man an wichtige Informationen kommt. Dieses Wissen will ich mir dann am Freitag zu nutzen machen, um trotz dem Opferfest Bajram mit dem Bus von Göreme nach Malatya zu kommen.
Nach einer kurzen Exkursion für eine Portion Baklava treffe ich im Hostel auf eine ganze Reihe neu angekommener Gäste. Ich mische mich unter die Neuankömmlinge aus Kanada, Polen und den USA. Interessanteste Erkenntnis: der Amerikaner Ian und sein polnischer Freund Frank, beide zuletzt beim amerikanischen Peace Corps im Senegal tätig, sind auf dem Landweg unterwegs nach China. Eine etwas andere Route als ich, aber es besteht durchaus die Chance, dass sich unsere Wege nochmals kreuzen werden. Die beiden wollen den Iran über Aserbeidschan und das kaspische Meer umgehen und mit einem Frachtschiff von Baku nach Turkmenbashi in Turkmenistan übersetzen. Sie erhalten meine Blogadresse, dass sie sehen können, wo ich gerade stecke und eventuell Kontakt aufnehmen können.
Der Tag war sehr intensiv, einerseits war da eine sehr gute, aber doch etwas hektische Tour, andererseits waren da viele interessante Gespräche mit den unterschiedlichsten Reisenden. Jeder hat seine eigene interessante Geschichte…