Ankara: Türkisches Stadtleben

Von Istanbul ging es am Sonntag mit dem Zug in die türkische Hauptstadt, nach Ankara. Touristisch nicht gerade die Traumdestination, ist die Stadt für eine Erfahrung von türkischem Stadtleben Abseits des Tourismus bestens geeignet. Ausserdem verfolgte ich noch weitere Ziele in der zweitgrössten Stadt der Türkei.

Es kam, wie es immer kommt, wenn man genügend Zeit einplant. Alle Verbindungen funktionieren perfekt und man ist viel zu früh da. So erging es mir auch am Sonntag morgen in Istanbul. Mit Strassenbahn und Schiff musste ich zum Bahnhof Haydarpasa in Istanbul kommen. Das Schiff fährt sonntags alle 20 Minuten, der Takt der Strassenbahn ist mir nicht bekannt. Dazu kommen die Fahrzeiten, der Weg zur Strassenbahnhaltestelle und die Zeit um die Fahrkarte am Bahnhof zu kaufen. Der Zug fuhr um 10:30 und ich hatte meine Fahrkarte um kurz vor halb zehn in der Hand. Das hiess noch eine Stunde die Zeit totschlagen. Das tat ich, in dem ich den Werbefilm für die entstehenden Schnellbahnen in der Türkei 2-3 mal anschaute.

Eine der vielen Baustellen auf der Strecke Istanbul - Eskisehir

Eine der vielen Baustellen auf der Strecke Istanbul - Eskisehir

Wie viele europäische Länder, baut auch die Türkei an einem Hochgeschwindigkeitsbahnnetz, welches das ganze Land überspannen soll. Ein wichtiges Stück davon durfte ich am Sonntag teilweise schon befahren, vom Rest sah ich viele Baustellen. Die Fahrt von Istanbul nach Ankara dauert aktuell noch minimal 6 Stunden für die Distanz von gut 500km, das entspricht nicht gerade meiner Vorstellung von Hochgeschwindigkeitszug. Die ersten vier Stunden dieser Fahrt wurden für die erste Hälfte der Strecke erst entlang der Küste des Marmarameers bis Izmit und anschliessend nach Süden durch die Berge über Bilecik nach Eskisehir benötigt. Die meist noch eingleisige Strecke wird im Rahmen der 2. Ausbaustufe doppelgleisig ausgebaut und wird sich anstatt den Flüssen entlangzuschlängeln, hoch über dem Talboden über zig Viadukte und durch zig Tunneln führen, vergleichbar mit der ICE Strecke von Köln – Frankfurt durch den Westerwald. Wie für die Autobahn, welche schon seit einigen Jahren fertig gebaut scheint, werden auch für die Eisenbahn ganze Berge zweigeteilt und abgetragen.

Gemächliche Zugfahrt südlich von Izmit

Gemächliche Zugfahrt südlich von Izmit

In Eskisehir heisst es dann aus dem Intercity in den Expresszug umzusteigen. Für mich war nur noch ein Platz in der Businessklasse frei, welche mich aber definitv überzeugte: drei Sitzreihen mit individuellem Unterhaltungsprogramm sowie Verpflegung sind inbegriffen. Der Zug rauscht dann mit 250 km/h durch die trockene Graslandschaft. In nur anderthalb Stunden erreicht man Ankara mit einem Halt in Sincan.
Interessant fand ich allerdings die Umsteigezeit: 26 Minuten! Ich frage mich, wie die Fahrpläne entstehen, wenn man eine solche Sicherheit wegen Verspätungen einbauen muss. Allerdings funktioniert dann der Anschluss auch sicher, denn alle Gepäckstücke werden einer Sicherheitskontrolle unterzogen, bevor sie in den Zug genommen werden dürfen.

Türkischer Hochgeschwindigkeitszug mit Reisegeschwindigkeit 250 km/h

Türkischer Hochgeschwindigkeitszug mit Reisegeschwindigkeit 250 km/h

In Ankara hatte ich dann zwei Ziele: einerseits wollte ich mein Visum für Turkmenistan abholen, andererseits wollte ich auch die türkische Hauptstadt etwas erkunden. Für einen Tag bietet die Stadt auch einige touristische Attraktionen, wie das Atatürk Mausoleum und die Zitadelle hoch über der Stadt.
Die turkmenische Botschaft hat an 4 Tagen die Woche von 9:00 bis 12:00 geöffnet. Das es nicht gerade zentral gelegen ist, nahm ich ein Taxi. Selbst der Taxifahrer musste dann bei einem Kollegen nachfragen wo die Adresse genau ist. Ich hatte an der Rezeption nachgefragt, was die Fahrt mit dem Taxi zur Botschaft ungefähr kosten würde und der Herr meinte, zwischen 15 und 17 türkische Lira. Üeberrascht war ich, als das Taxometer vor der turkmenischen Botschaft 16,38 Lira anzeigte. Hut ab, vor einer solchen Schätzung!
Meine Ankunftszeit war kurz nach 10 Uhr, so dass ich der Meinung war ich könnte gleich in die Botschaft gehen. Ich klingelte und einige Minuten danach dröhnte eine Stimme in türkisch aus dem Lautsprecher. Ich fragte nach, ob der Herr auch Englisch spricht, worauf ein «No English» aus dem Lautsprecher kam. Zum Glück gab es an der Pforte noch einen Polizisten, welcher einige Worte Englisch sprach und mir dann weiterhalf und den Kollegen von der Botschaft über mein Anliegen auskunft gab.

Typische türkische Stadtszene: Taxis

Typische türkische Stadtszene: Taxis

Mit der Zeit schlugen immer mehr Leute mit Pässen in der Hand auf, eingelassen wurde aber bis kurz vor 11 Uhr keiner. Dann endlich ging die Tür auf und natürlich hat sich gleich einer vorgedrängelt und ist in die Botschaft gerannt. Ich ging dann hinterher und konnte dann irgendwann auch mit einem Mitarbeiter sprechen. Dieser konnte ganz gut Englisch und fragte mich, wie lange ich den in Ankara sein würde. Ich teilte im mit, dass ich am nächsten Tag bereits weiterreisen möchte. Er schaute sich mein Einladungsschreiben genau an und meinte dann, ich könne damit auch das Visum an der Grenze erhalten. Auf meine Frage, wie lange ein Visum in Ankara dauern würde, zog er einen Kalender raus und zeigte auf dem 3. November. 4 Tage waren mir zu lange, worauf ich die Botschaft unverrichteter Dinge wieder verliess, da ich davon ausgehe, dass es einfacher sein wird, das Visum an der Grenze zu erhalten.
Den Weg zurück zur Altstadt bewältigte ich dann zu Fuss. Ich finde es immer wieder interessant, die Städte einfach so zu erkunden. Der Weg führte vorbei an Wohnvierteln, Einkaufsstrassen, einem Basar und schliesslich landete ich im Genclik Park. Der Park lädt zum Verweilen ein, bietet er doch Möglichkeiten zum Essen, einige Fahrgeschäfte und Bänke, wo man sich fernab vom Chaos der Strassen etwas entspannen kann. Für mich gab es im Park ein kleines Mittagessen, bevor ich zum Busbahnhof und zum Bahnhof fuhr.

Basar in Ankara

Basar in Ankara

Was folgte war eine Üebung in Kommunikation mit Hand und Fuss. Ich habe absolutes Verständnis dass nicht jeder eine Fremdsprache spricht, aber in dieser Beziehung fallen die Türken definitiv negativ auf. Wenn auch immer sehr hilfsbereit, spricht kaum jemand eine Fremdsprache, sondern einem wird in fliessendem türkisch geholfen. Das geht sogar soweit, dass die Dame am Informationsschalter am Hauptbahnhof in Ankara nur türkisch spricht.
Eine Üeberraschung gab es dann doch: mir wurde beim Mittagessen erklärt, ich solle die Metro zum Busbahnhof nehmen (soviel türkisch verstehe ich mittlerweile: Metro, Otogar). Irgendwas von umsteigen hatte ich auch noch verstanden… Also ging ich zur Metrohaltestelle und suchte erst den Linienplan. So etwas gibt es leider nur in der Zone, in die man mit gelöster Fahrkarte kommt.

Erholung im Genclik Park, Ankara

Erholung im Genclik Park, Ankara

Ich kaufte mir eine Fahrkarte und stieg in die Metro ein, in der Hoffnung, dass dann auch alles passt. Da es an der Haltestelle nur eine Linie gab, immerhin eine 50:50 Chance, dass ich in die richtige Richtung fahre. In der Metro fragte ich dann wieder einen Herrn nach Otogar. Dieser erklärte mit 5 Worten, was zu tun ist, ich hatte aber nichts verstanden und dann war er auch schon ausgestiegen. Zum Glück hatten zwei junge Damen meine Fragerei mitgehört, so dass eine der beiden mir beim Umsteigen dann von sich aus zur Hilfe kam. So schaffte ich dann den Weg zum Busbahnhof, wo ich mir eine Fahrtkarte nach Göreme für Dienstag kaufte, und auch wieder zurück zum Hauptbahnhof (nicht einfach, denn im Linienplan sind nur die Namen der Haltestellen aufgeführt und eine Haltestelle Hauptbahnhof gibt es nicht).
Im Hauptbahnhof erkundigte ich mich, wann Züge von Van in der Osttürkei nach Teheran fahren würden. Zum Glück stand neben mir am Informationsschalter ein Türke, welcher in Deutschland geboren wurde und diplomierter Üebersetzer für Deutsch und Türkisch ist, da wie erwähnt die nette Dame keine Fremdsprachen spricht. Wir wurden dann gemeinsam durch den Bahnhof geschickt, um die Info zu erhalten, dass am Dienstag abend um 20:00 ein Zug fahren würde. Den Trans-Asia Express, welcher donnerstags fährt, sowie die Verbindung am Freitag von Van nach Tabriz mit Umsteigemöglichkeit nach Teheran erwähnte er nicht. Nicht weiter schlimm, da ich voraussichtlich den Zug am 8. November nehmen werde, um nach Teheran zu kommen.
Der weitere Spaziergang führte über das etnografische Museum, welches natürlich montags geschlossen ist, durch die Altstadt und den dazugehörigen Basar zur Zitadelle. Der Eingang zu den Geschäftsstrassen der Altstadt, welchen ich nahm, liegt an einer vielbefahrenen Strasse. Durch die vielen Textilien, die direkt am Eingang schon verkauft werden, wird der Lärm der Strasse so gut gedämpft, dass man nach einigen Schritten die Strasse nicht mehr wahrnimmt.

Hoch über Ankara, mit einem tollen Haarschnitt aus Istanbul

Hoch über Ankara, mit einem tollen Haarschnitt aus Istanbul

Auf dem Weg zur Zitadelle durfte ich dann wieder Tourist sein: die Geschäfte links und rechts an den Strassen deuteten an, dass sich doch der ein oder andere in die Altstadt von Ankara verirrt. Auch die älteren Damen mit ihren selbstgemachten Produkten konnten mindestens ein bisschen Englisch: Mister, one Lira oder ten Lira!
Oben auf der Zitadelle angekommen, war ich zunächst alleine. Der Titel über der Zitadelle könnte lauten: Top of Ankara. Herrlich ist der Ausblick hoch über der Stadt in alle Himmelsrichtungen. Die Abendsonne brachte die ganze Stadt zum Glühen. Den Sonnenuntergang wollten sich viele nicht entgehen lassen, so dass ich bald nicht mehr alleine war, sondern mindestens drei Schulklassen und eine Reihe weiterer Touristen den Weg auf die Zitadelle fanden.
Auf dem Rückweg zum Hotel suchte ich mir dann noch ein Restaurant, welches mehr als nur gegrilltes Fleisch anbietet und anschliessend noch einen Bäcker, bei welchem ich zum Dessert eine Portion Baklava geniessen konnte.
Im Abendverkehr durch die Strassen Ankaras zu gehen ist dann definitiv vergleichbar mit den Autokorsos, welche mittlerweile an vielen Orten nach gewonnenen Fussballspielen veranstaltet werden. Die Motivation zum Hupen ist allerdings eine andere. Der ganze Lärm hat ein wenig mit Schizophrenie der Türken zu tun: entweder sie schlafen am Steuer beinahe ein und bewegen sich fast gar nicht oder aber sie haben es so eilig, dass man sich wundern muss, dass es nicht mehr Verkehrstote in diesem Land gibt. Ein wenig erinnert der Fahrstil auch an Ecuador im Jahr 2000: einfach mal fahren, der andere wird schon hupen, wenn ich keine Vorfahrt haben sollte…