Das ab Stuttgart vierte Wochenende meiner Reise war geprägt von Kilometern die geschluckt werden mussten. Das Ziel war innerhalb von maximal 36 Stunden von Shkoder im Norden Albaniens nach Thessaloniki im Norden Griechenlands zu kommen. Laut Routenplaner rund 550 Kilometer, laut meinen Infos zwei Verbindungen per Bus.
Am Freitag hatte ich erfahren, dass um 10 Uhr ein Bus von Shkoder nach Tirana, der Hauptstadt Albaniens, fährt. Dies bedeutete einmal mehr urlaubsfreundliche Uhrzeiten, da konnte ich ausschlafen, gemütlich frühstücken und mich zum Bus aufmachen. Leider war ich etwas zu schnell, so dass ich bereits kurz nach 9 Uhr am zentralen Kreisverkehr in Shkoder stand. Busse sind in Albanien eines von drei zentralen Fortbewegungsmitteln: Privatautos und furgons (Minivans) sind zwei weitere.
Die Fahrer der furgons sind sehr darum bemüht, ihre Minivans möglichst immer voll zu halten, um den maximalen Verdienst einzufahren. So sind sie wachsam auf der Lauer, um potentielle Kunden ausfindig zu machen. Touristen mit grossen Rucksäcken zählen definitiv dazu. Ich hatte die Strasse Richtung Bushalt noch nicht überquert, wurde ich bereits angesprochen, ob ich nach Tirana müsse. Musste ich und der Preis für die Fahrt war OK, so dass ich gleich einstieg. Von den 6 verfügbaren Plätzen im furgon waren noch 4 frei, so dass ich mich auf eine längere Wartezeit einstellte. 5 Minuten später fuhren wir dann mit voll besetztem furgon los. Besonderheit des Fahrzeugs: Rechtslenker bei Rechtsverkehr. Dies bot dann spannende Szenen bei den zahlreichen Üeberholmaneuvern. Ich werde den Eindruck nicht los, dass ich immer den schnellsten oder eiligsten Fahrer für eine bestimmte Fortbewegungsart erwische.
In Tirana wurde ich dann nach meinem Empfinden irgendwo abgesetzt. Ich fragte den Fahrer mit Hilfe einer Passagierin, die als Üebersetzerin fungierte, wo denn die Busse Richtung Griechenland fahren würden. Die Antwort war einfach: zu Fuss eine Viertelstunde geradeaus, dann im Hotel auf der linken Strassenseite nachfragen. Gesagt getan. Es gibt viele Möglichkeiten von Tirana nach Thessaloniki zu kommen, denn mehr als ein halbes Dutzend Busgesellschaften bieten diese Fahrt an. Jede zu 2-3 unterschiedlichen Zeiten. Einen gemeinsamen, zentralen Fahrplan gibt es natürlich nicht, sondern man muss die Büros der Busgesellschaften, welche immerhin in einer Strasse liegen, einzeln abklappern.
Schliesslich hatte ich meine Verbindung gefunden: Sonntagmorgen, 8:30 ab Tirana. Einen Nachtbus gibt es leider nicht. Weshalb es keinen Nachtbus gibt verstehe ich mittlerweile auch.
Nächstes Thema war demzufolge die Suche nach einer Unterkunft. Heutzutage sucht man die Unterkunft nicht mehr zu Fuss, sondern man setzt sich in ein Internet Café, sucht sich dort eine Unterkunft aus und geht direkt dort hin. Wichtiger Punkt in Tirana war für mich die Nähe zu den Busunternehmen, damit ich am nächsten Morgen keinen weiten Weg zum Bus zurücklegen musste. Ich schrieb mir die Namen auf und machte mich auf den Weg. Interessant war, dass an einer Adresse zwei Hostels ausgewiesen waren, ich jedoch nur eines, mit nochmals einem anderen Namen, fand. Egal, der Zimmerpreis in Freddy’s Hostel war für mich in Ordnung, so dass ich mich dort einrichtete. Danach machte ich mich auf einen meiner obligaten Rundgänge durch die Stadt: einfach mal loslaufen und möglichst nicht nur die Sehenswürdigkeiten finden. Zunächst lief ich so über einen offenen Markt, wo es mal wieder sehr viele unterschiedliche Dinge zu kaufen gibt. Schwerpunkt waren diesmal Kleider, Schuhe, Gemüse und Obst. Danach stolperte ich dann in ein gemütliches Restaurant wo sich insbesondere Studenten trafen.
Der Skenderbeg Platz, das Zentrum Tiranas, wird gerade in grossem Masse umgebaut, so dass ich mich schon bei der Ankunft mit der Herausforderungen konfrontiert sah, den Weg zwischen Verkehr, Menschen und Bauzäunen zu finden. Was mir aber bis zuletzt ein Rätsel blieb: auf welcher Seite der Bauzäune sollten sich denn nun die Arbeiter und auf welcher Seite die Passanten aufhalten? Beide waren auf beiden Seiten der Absperrungen zu finden… typisch albanisch?
Am Sonntag sollte dann der Kaffee eine zentrale Rolle spielen. Die Geschichte vom Kaffee begann schon im Hostel. Da es auf der Etage, auf der ich hauste, keinen allgemeinen Raum gab, und ich auch kein Frühstück erwartet hatte, ging ich davon aus, dass ich mir vor der Busfahrt noch etwas besorgen musste. Die Üeberraschung kam in Form der Putzfrau, welche mich auf albanisch erst mal anwies, auf dem Sofa an der Rezeption Platz zu nehmen, um mir dann sogleich einen Kaffee nach Wunsch aufzutischen. Der Herr, welcher mich tags zuvor eingecheckt hatte, kam dann mit dem für die Gegend üblichen Croissant in der Folie an und somit war für einen ersten Start auch bezüglich Essen schon gesorgt. Auf den Paar Schritten zum Bushalt holte ich mir noch zwei weitere Croissants und stellte mich auf, um auf den Bus zu warten. Ich begann eines der Croissants zu knabbern, als ein älterer Taxifahrer auf mich zu kam und mich in gebrochenem Englisch fragte, ob er mir weiterhelfen könnte. Ich gab ihm Bescheid, dass ich genau da auf meinen Bus warte. Seine Reaktion war sehr sympatisch: komm› ich lade dich zu einem Kaffee ein. Ich schaute noch kurz auf die Uhr und ging mit. Wir plauderten dann etwas über seine Familie und Gott und die Welt und zuletzt gab er mir noch seine Telefonnummer, für meinen nächsten Besuch in Tirana. Also: falls jemand in nächster Zeit in Tirana sein sollte und einen Taxifahrer benötigt, bitte melden!
Der Bus kam dann pünktlich auf die Minute und ich stieg, trotz Protest des Fahrers, mit meinem Tagesrucksack in der Hand ein. Ich hatte einen designierten Sitzplatz, ignorierte aber aufgrund meiner Erfahrungen in den letzten Wochen die Nummer und setzte mich etwas weiter hinten in den Bus. Die Fahrt bot dann einiges an Unterhaltung und eine ganz neue Erfahrung des Busfahrens.
Zunächst holten wir über Durres aus, um dann Richtung Süden und dann Osten Richtung Griechenland abzubiegen. Die Stadt Elbasan machte den Eindruck bei einer zukünftigen Reise nach Albanien ein lohnenswertes Ziel zu sein. Dies, weil die Stadt eine Urtümlichkeit bietet, die seinesgleichen sucht. Einmal gibt es einen extrem engen Busbahnhof, in dem die Busse auch noch wenden müssen, um wieder herausfahren zu können. Dann werden auf der Richtungstrennung der 4-spurigen Hauptstrasse aller Arten Federvieh feilgeboten. Aus dem Bus habe ich den Eindruck einer richtigen albanischen Provinzstadt erhalten.
Interessant war dann auch die Unruhe, die es gab, weil sich ein Fahrgast an den Platz setzen wollte, welcher auf seiner Fahrkarte vermerkt war. Schon früher hatten einige Fahrgäste auf ihren Plätzen bestanden, der ältere Herr machte jedoch ohne grosse Aufruhr und mit etwas Achselzucken Platz. In Elbasan verstand eine Dame mit ihrem Kind allerdings nicht, weshalb jetzt plötzlich einer kommt und sich an den Platz setzen möchte, welcher auf der Fahrtkarte steht.
Danach folgte Teil drei des Kaffeesonntages: gegen 11:20 hielt der Bus an einer Raststätte in den albanischen Bergen. Da alle Reisegäste ausstiegen, ging ich davon aus, dass es sich um einen längeren Halt handelt. Ich ging erst einmal auf Toilette und stellt mich vor den Bus, um die frische Luft zu geniessen. Ein Fahrgast kam auf mich zu und fragte mich, ob ich nicht mit ihm einen Kaffee trinken möchte. Gerne folgte ich ihm in die rauchige Gaststätte. Er erklärte mir, dass der Bus erst gegen 12:00 weiterfahren würde und ob ich nicht ein Bier trinken möchte. Ich war noch etwas verwirrt und ausserdem war ja Kaffeesonntag, so dass ich wiederum einen Kaffee bestellte. Die Rechnung übernahm einmal mehr der freundliche Albaner, keiner wollte etwas davon wissen, dass ich selbst bezahlen könnte. Somit wurde dies der dritte gesponserte Kaffee an diesem Sonntag.
Der nächste Teil der Unterhaltung war dann unrühmlich: zwei Reisende, die auch gemeinsam unterwegs waren, gerieten erst in ein immer lauter werdendes Wortgefecht, bis schlussendlich die Fäuste flogen. Und ich hatte den Logenplatz, da das ganze in meiner Reihe auf der anderen Seite des Ganges geschah. Der Busfahrer hielt sofort an, um den beiden Streithähnen klar zu mache, dass sie aussteigen können, wenn sie sich nicht benehmen. So war Ruhe bis zum nächsten Zwischenstop in Korce, wo die beiden ausstiegen und die Sache vor dem Bus austrugen. Dazu zu sagen ist, dass einer der beiden gut alkoholisiert war. Dieser war es dann auch, welcher etwas belämmert wieder den Bus bestieg und ziemlich niedergeschlagen wirkte. Ausgang der Geschichte: bis Thessaloniki sassen die beiden dann wieder nebeneinander und plauderten friedlich…
Die Wiedereinreise in die EU war dann wiederum eine Vorbereitung, was ich auf dieser Reise noch das ein oder andere Mal erwarte: viel Zeit an einem Grenzübergang verbringen. In diesem Fall dauerte die Grenzüberquerung satte 2 Stunden. Die erste Stunden verging, bis die Albaner die Pässe zwecks Ausreise kontrolliert hatten, die zweite Stunde folgte dann am griechischen Grenzposten. Dabei durften nicht nur alle Passagiere aussteigen, sondern gleich noch mit ihrem Gepäck bei den Zöllnern antanzen. Diese waren jedoch nicht sonderlich am Inhalt des Gepäcks interessiert, weshalb wir 5 Minuten nur dastanden, bevor wir das Gepäck wieder in den Bus räumten. Mein Nebensitzer hat ganz schön durchgeatmet, dass die Kontrolle nicht genauer war, denn er hatte 1,5 Liter selbstgebrannten Schnaps im Gepäck, wovon er sich dann erst einmal einen Schluck genehmigte. Sei gut für sein Herz meinte er, einerseits nach dem Stress, andererseits zeigte er dann noch seine Narbe von der letzten Herzoperation.
Gegen 20:50 Ortszeit schlugen wir dann beim Bahnhof in Thessaloniki auf, worauf ich mich von meinem Mitfahrern verabschiedete und auf den Weg in mein Hostel RentRooms machte…