Einleben in Beijing

Der erste Monat in Beijing ist um, das Leben wird langsam selbstverständlicher. Vieles was ich in Stuttgart nicht hinterfragt hatte und bekannt war, muss hier neu entdeckt werden. Anscheinend selbstverständliche Dinge müssen plötzlich neu geklärt werden. Wo habe ich Einkaufsmöglichkeiten? Wie komme ich von A nach B? Wie komme ich mit den vielen chinesischen Zeichen klar?

Überleben in der Hauptstadt

Schon in der Woche vor dem chinesischen Neujahr hatte ich mich in der Gegend rund um mein neues Zuhause umgeschaut und mich mit den Strassen und den Namen etwas vertraut gemacht. Wie immer, wenn man in eine neue Stadt zieht, mussten Lenka und ich erst einmal die grundlegende Versorgung sicherstellen. Das bedeutete Essen zu finden. Gekochtes Essen ist in Beijing einfacher aufzutreiben, als frisches Gemüse und Obst, sowie auch die Basisnahrungsmittel. An jeder Ecke gibt es beinahe entweder ein Restaurant oder einen kleines Imbiss und auf der Strasse gibt es öfter einen mobilen Verkaufsstand.
Um aber Zutaten für die eigene Küche zu finden ist je nachdem wo man in Beijing wohnt ein bisschen schwieriger. In den Hutongs, den traditionellen Strassen, findet man ebenfalls öfters einen kleinen Supermarkt oder sogar einen Gemüsehändler. Bei uns in der Siedlung ist dies leider nicht der Fall. Aber zum Glück gibt es ja das Internet. In der vielen Zeit, die ich noch habe, widmete ich einen grossen Anteil der Suche nach Märkten, Supermärkten und sonstigen Shops. Gerne würde ich dafür auch durch die Strassen streifen, die Stadt ist allerdings so gross und die Geschäfte manchmal so gut versteckt, dass dies eine reine Glücksache würde. Hat man einmal einen Markt gefunden, ist die grosse Frage was es dort denn zu kaufen gibt und zu welchem Preis. Zwei Schwierigkeiten gibt es dabei zu überwinden: einerseits sind die einheimischen Produkte sehr viel anders geartet, als wir das kennen. Die Zutaten für ein Rezept eines heimischen Kochbuches (selbst für asiatische Gerichte) zu finden ist eine richtige Herausforderungen. Andererseits sind die Artikel selbstverständlich chinesisch beschriftet. Zum Glück hilft hie und da das Logo einer bekannten Marke weiter, aber bis wir in der Lage sein werden, alles ohne Problem zu verstehen wird noch eine Weile dauern. Doch dazu weiter unten mehr.
Mittlerweile haben wir jedoch zwei Märkte mit frischem Obst und Gemüse, sowie frischem Fisch und Fleisch gefunden. Einer davon ist mit einem etwas längeren Fussmarsch zu erreichen, so dass man dort auch regelmässige Einkäufe tätigen kann. Der zweite ist mit dem Bus bequem zu erreichen, hat allerdings den Nachteil, dass es nebenan nicht gleich einen Supermarkt gibt wie beim ersten. Erwähnter Supermarkt gehört zur Jingkelong Kette, deren Läden man mindestens über ganz Beijing verteilt findet und der auch direkt bei unserer Siedlung noch einen Getränkemarkt zu bieten hat. Der Carrefour bietet, entgegen meinen ursprünglichen Erwartung, fast ausschliesslich chinesische Produkte an. Aber auch für die Bedürfnisse der Ausländer ist gesorgt. Als China politisch noch geschlossen war, gab es nur den Friendship Market, wo man ausländische Artikel kaufen konnte. Diesen Supermarkt gibt es heute noch, allerdings ist er, mitten im Diplomatenviertel gelegen, mittlerweile einer der teuersten Geschäfte in der Gegend. Konkurrenz bei den höchsten Preisen macht ihm nur noch der Supermarkt im Lufthansa Center. Sehr beliebt bei Ausländern für heimische Produkte sind die Jenny Lou’s Geschäfte, welche ein mittleres Angebot an ausländischen Artikeln zu bieten haben. Dort gibt es zum Beispiel auch eine Käsetheke, wo es Emmentaler und Gruyère zu kaufen gibt. Und schlussendlich hatte ich es ins neue Shopping-Center direkt neben unserem Haus geschafft, wo ich einen sehr schön gepflegten BLT Supermarkt gefunden habe, der bezüglich Sauberkeit und Aufgeräumtheit mit den modernen Supermärkten in Deutschland und der Schweiz mithalten kann.
Was mich in allen Supermärkten sehr gefreut hat, ist dass sie alle eine sehr gute Auswahl an Wein anbieten. Hier gibt es überall nicht nur chinesischen, sondern auch französischen, italienischen, südafrikanischen, südamerikanischen und australischen Wein zu kaufen.

Bewegen in der Hauptstadt

Nachdem die Versorgung mit Nahrungsmitteln einmal sichergestellt war, stand die nächste Aufgabe an: wie bewege ich mich durch diese riesige Stadt? Wir hatten uns im Vorfeld entschieden, dass wir möglichst nahe an einer U-Bahn Haltestelle wohnen wollten, so dass wir uns ohne Umwege in diesem effizienten Netz bewegen konnten. Das Resultat ist, dass wir direkt vor der Haustüre eine U-Bahn Haltestelle haben, wo auch der Airport Express hält. Letzterer ist leider nur für die Strecke zum Flughafen bedeutend, damit sind wir jedoch ohne grossen Aufwand für jeden Besucher sehr einfach zu erreichen. Die Fahrt mit der U-Bahn gestaltet sich sehr einfach, da jede Haltestelle sehr gut in Chinesisch und Englisch beschriftet ist. Ebenso sind die Aussagen in den Zügen immer zweisprachig gehalten, so dass man nicht viel falsch machen kann. Sofern man weiss, zu welcher Haltestelle man denn fahren möchte.
Busfahren ist hingegen schon eine grössere Herausforderung. Zunächst gilt es immer die Haltestelle zu finden. Diese sind teilweise gut versteckt, enthalten aber immer die Angabe, welche Busse auch tatsächlich die Haltestelle anfahren. Fahrkarten für den Bus gibt es nicht, sondern man steckt den Fahrpreis, normalerweise 1 oder 2RMB, in eine dafür vorgesehene Kiste. Also das selbe Vorgehen wie ich es bisher überall in China erlebt habe. Zum diesem Zeitpunkt ist Busfahren immer noch ein etwas grösserer Aufwand, denn wir wissen noch nicht, wo ungefähr 20 Buslinien, welche bei uns vorbeifahren, überall hinführen. Die Schilder an den Haltestelle deuten nicht nur an, welche Buslinien dort fahren, sondern auch an welchen folgenden Haltestellen der Bus noch hält. Allerdings sind die Namen ausschliesslich in Chinesischen Zeichen angegeben. Nach und nach entdecken wir mehr, jedoch benötigt jedes Experiment etwas Vorbereitung. Dafür haben wir allerdings zwei Hilfsmittel im Internet: einmal erlaubt Google Maps in Beijing eine Routenplanung mit öffentlichen Verkehrsmitteln und zum Zweiten gibt es die Seite der öffentlichen Verkehrsmittel Beijings, welche nicht nur eine Routenplanung bietet, sondern auch die Anzeige der kompletten Buslinie auf einer Karte ermöglicht. Dies ist gerade zu Beginn sehr hilfreich.
Da der Kauf von Einzelfahrkarten für Busse und U-Bahnen zu aufwändig ist, gibt es in Beijing die Möglichkeit eine Prepaid-Karte für die öffentlichen Verkehrsmittel zu kaufen. Neben dem effizienten Einsteigen hat die Karte den Vorteil, dass Busfahrten mit der Karte nur 40% vom Barpreis kosten. U-Bahnfahrten müssen normal bezahlt werden (2RMB pro Fahrt mit Umsteigen). In den Bussen variiert der Preis sehr stark, denn es gibt Busse, welche einen Festpreis von 1 resp. 2RMB haben, jedoch gibt es andere Busse, welche nach benutzter Distanz bezahlt werden müssen.
Um die Umsteigehaltestellen und die Destination nicht zu verpassen, benutzen wir häufig noch ein Zettelchen, auf welchem wir die relevanten Haltestellen und insbesondere Buslinien vor der Fahrt aufgeschrieben haben. Doch die immer besser werdende Kenntnis der Stadt und der chinesischen Schrift helfen uns, uns immer freier bewegen zu können.

Verstehen in der Hauptstadt

Zentrales Thema in der Fremde ist das Kommunizieren mit den Leuten. Sei es unterwegs mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, wenn man Hilfe braucht, oder sei es auf dem Markt, wenn man nach Preisen fragt, diese allenfalls verhandeln will oder einfach nur einkaufen will. In Beijing gibt es doch erstaunlich viele Einheimische, welche mindestens ein bisschen Englisch sprechen, jedoch kann man sich darauf nicht verlassen. Ausserdem gibt sehr viel Geschriebenes, welches auch gelesen werden will. Das heisst, man kommt nur schwer um das Lernen der chinesischen Sprache herum. Doch was heisst eigentlich chinesische Sprache? In China werden einige verschiedene Sprachen gesprochen und es gibt mindestens zwei unterschiedliche Schriften. Was Beijing und die Standardsprache bedeutet dies, dass man Mandarin als Sprache und das vereinfachte Chinesisch als Schrift lernen muss. In Shanghai und Hong Kong sind es allerdings Kantonesisch und die traditionelle Schrift. Dabei gilt es zu beachten, dass Mandarin und Kantonesisch fast komplett gleich geschrieben werden, allerdings in unterschiedlichen Schriften. Die Aussprache ist allerdings komplett anders, so hat Mandarin zum Beispiel fünf mögliche Betonungen für eine Silbe, während es in Kantonesisch deren sechs sind.
Eine Sprache zu lernen bedeutet für grosse Teile der Welt, dass es evtl. eine Schrift, ein Vokabular und eine Menge an Grammatik zu lernen gilt. In China ist dies anders. Hier gibt es eine Schrift mit einigen tausend Zeichen und Betonungen zu lernen. Aus den einzelnen Zeichen und deren Bedeutung werden dann Wörter zusammengesetzt. In den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts versuchte die chinesische Regierung eine lateinische Darstellung der chinesischen Zeichen zu etablieren und so die Schrift abzuschaffen. Das sogenannte Pinyin hat sich in China nicht durchgesetzt, ist jedoch heute eine grossartige Hilfe um die Sprache zu lernen. Das bedeutet, dass man im Vokabular für einen deutschen Begriff jeweils ein oder mehrere chinesische Zeichen, sowie ein Transkript in Pinyin findet, in welchem auch die richtig Betonung angegeben ist.
Unsere Strategie, um Mandarin und die vereinfachte Schrift zu lernen ist die, dass wir zunächst die wichtigsten Wörter lernen, wobei wir Wert darauf legen, die einzelnen Zeichen mindestens in der Bedeutung mitzulernen. So haben wir festgestellt, dass die chinesischen Wörter für Restaurant (fan guan) und Gasthaus (bin guan) jeweils das Zeichen für guan (Haus) enthalten. Der Unterschied liegt in der ersten Silbe, fan = Essen gegenüber bin = Gast. Dazu beobachten wir, welche Zeichen wir in der Stadt häufig sehen, um auch bei Gelegenheit deren Bedeutung zu lernen, so sind die . So kennen wir neben Hotel und Restaurant auch schon Begriffe für Hochhaus, Nudelhaus und lernen fleissig für die Bestellungen im Restaurant sowie den Einkauf auf dem Markt.