Für die Chinesen ist Xian der Anfang der Seidenstrasse. Für mich ist die Hauptstadt der Provinz Shaanxi das Ende derjenigen. Zwei Dinge sind mir in dieser Stadt auf jeden Fall aufgefallen: es gibt wieder Massen an westlichen Touristen, welche man weiter im Westen China’s nicht sah und die Stadt hat trotz dem chinesischen Erneuerungswahn noch Charakter.
Kurz nach 18 Uhr stand ich in Xining an der Bushaltestelle der Linie 5, welche mich direkt zum Bahnhof bringen würde. Ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass ich 40 Minuten auf einen Stadtbus warten würde. Diese Verspätung führte dazu, dass ich, einmal am Bahnhof Xining West angekommen, direkt in den Nachtzug nach Xian einsteigen konnte. Einmal mehr hatte ich erfolgreich ein Bett in der Hardsleeper Klasse gebucht, was bedeutete, dass ich im offenen 6er-Abteil reisen konnte. Der Platz ganz oben liess mich allerdings nicht gleich in Freudenschreie ausbrechen, ist es doch der Platz mit der Schrägung im Kopfbereich.
Die Nacht im Zug verlief einmal mehr sehr ruhig, so dass ich doch einigermassen ausgeruht in Xian ankam. Dort wartete bereits der Abholservice des Han Tang Inns auf mich. Ausser mir war kurz zuvor Melissa, eine amerikanische Englischlehrerin, welche in Shanghai tätig ist, angekommen. Nachdem wir den Shuttlebus gefunden hatten fuhren wir zum Hostel, welches sehr zentral gelegen ist. Ich checkte ein und begab mich sofort aufs Zimmer, wo ich Lukas, einen Deutschen aus Haltern am See, traf. Lukas war für ein halbes Jahr in Südkorea wo er ein Austauschsemester absolvierte und bereiste nun noch für einige Wochen China. Später gesellte sich noch Yeroen, ein Holländer, welcher Austauschstudent in Beijing war, dazu. Die beiden machten sich unmittelbar auf den Weg, um an den von Hostel organisierten Touren teilzunehmen. Mein grösstes Anliegen war es erst einmal, eine Fahrkarte nach Beijing zu organisieren, denn die Reisesaison für das chinesische Neujahr hatte begonnen und entsprechend knapp waren die Fahrkarten.
Unweit vom Hostel gab es einen kleinen Kiosk, welcher Zugfahrkarten verkaufte und alles was ich noch erhielt, war eine Fahrkarte in der Softsleeperklasse. Einen der teuersten Plätze im Zug. Aber immerhin hatte ich eine Fahrkarte und würde so pünktlich und wie geplant Beijing am 9. Januar erreichen. Nachdem ich die Fahrkarte organisiert hatte, legte ich mich im Hostel etwas hin, denn einerseits war ich doch etwas müde von der Bahnfahrt und andererseits spürte ich immer noch meine Erkältung.
Am späteren Nachmittag machte ich dann eine erste Erkundungstour durch das Stadtzentrum und das muslimische Viertel. Was einem wohl nicht so ins Auge sticht, wenn man von Osten her anreist, sind die ganzen zentralasiatischen Einflüsse, welche es in dem Strassen des muslimischen Viertels zu sehen gibt. Hatte ich seit Verlassen der Provinz Xinjiang kein Brot und keinen Kebab mehr gesehen, wimmelte es hier in den Strassen wieder davon. Die Frage, die sich mir unweigerlich stellte war, ob dies eien natürliche Entwicklung darstellte oder aber von der chinesischen Regierung so inszeniert wurde. Hintergrund der Frage ist die Tatsache, dass die chinesische Regierung nach innen und aussen gerne die Einheit im ganzen Land präsentiert. In der Realität gibt es jedoch immer wieder Spannungen, wie dies am Beispiel Tibet oder auch an den Unruhen in Urumqi 2009 zu sehen war. Die Gesichter hinter den Essenständen waren auf jeden Fall nicht uighurisch, sondern eher Hui, soweit ich das beurteilen konnte.
Am Freitag schloss ich mich Melissa, Yeroen und Josie, einer Chinesin aus Shanghai an, und gemeinsam machten wir uns auf den Weg zur berühmten Terracotta Armee. Ich fühlte mich wieder richtig fit, so dass der Ausflug gesundheitlich überhaupt kein Problem darstellte. Zu viert nahmen wir ein Taxi zum Bahnhof, wo wir den Bus 306 bestiegen, welcher uns in gut einer Stunde zum Komplex der Terracotta Armee brachte. Melissa machte gleich einen super Kauf, indem sie völlig überteuerte Terracotta Soldaten kaufte. Dies war insofern keine Üeberraschung, als dass man als Tourist in China gerne ein Opfer völlig überrissener Preise wird. Was mich aber wunderte, war das Verhalten der Verkäuferin, als wir ihr wieder über den Weg liefen. Diese brach nämlich in schallendes Gelächter aus. Da mich die Hintergründe dieses Verhaltens interessierten, interviewte ich Josie zu diesem Thema. Sie erklärte mir darauf hin, dass Chinesen eigentlich nur bei Verlegenheit lachen würden. Daher kamen wir zur Vermutung, dass der Dame ihre Habgier wahrscheinlich selbst peinlich war. Vielleicht war sie sogar überrascht, dass sie die Soldaten zu dem geforderten Preis verkaufen konnte. Nach meiner Fragerei schlug Josie vor, dass ich doch ein Buch schreiben sollte. Ich teilte ihr mit, dass ich erst einmal mit einem Blog anfangen würde.
Nachdem wir die ganze Passage mit all den Shops hinter uns gelassen hatten, standen wir schliesslich am Eingang zum Komplex der Terracotta Armee. Uns wurde geraten, zunächst die Videoeinführung anzuschauen, bevor wir uns von der kleinsten zur grössten Ausgrabungsstätte durcharbeiten sollten. Das Informationszentrum ist allerdings mittlerweile ein Teehaus und das Video war in einem anderen Gebäude zu sehen. Die Dame des Teehauses wies uns den Weg. Wir traten mitten in die englische Vorführung, welche wir uns noch zu Ende anschauten, bevor wir uns auf den Weg in die kleinste Halle, die Halle 3, machten.
Die Halle 3 enthält die Generäle der Terracotta Armee. Eher klein und vor allem recht dunkel gab es einige Soldaten und Üeberreste von Pferdekutschen zu sehen. Ein Vielfaches grösser war die Halle zwei, die Halle wo es Soldaten und Pferde zu sehen gab. Grosse Teile in dieser Halle müssen noch ausgegraben werden, vermutet werden systematisch angeordnete Pferdekutschen, jeweils Zweiergespanne. In Vitrinen neben der eigentlichen Ausgrabungsstätte gibt es einige Krieger aus der Nähe zu besichtigen. Ich war mir nicht bewusst, in welchem Detail die Soldaten erstellt wurden und dass diese auch bunt und glasiert waren. Dies ergibt für mich nochmals eine zusätzliche Dimension der Grösse des Fundes dieser Armee.
Zu guter letzt machten wir uns noch auf in die Halle 1, der grössten Halle des Komplexes. Hier dürften all die Bilder entstanden sein, welche man von der Terracotta Armee kennt. In dieser Halle stehen rund 2000 der Soldaten. Weitere 4000 dürften sich noch unter der Erde befinden und in den nächsten Jahren ausgegraben werden.
Nach dem Besuch machten wir uns alle auf Shoppingtour. Dabei wartete ich ab, bis ich wusste, was die Preise für die Miniatursoldaten so sind. Das günstigste Angebot, das einem gemacht wurde, waren 10RMB. Daher entschied ich mich, diesen Preis noch zu verhandeln und erreichte immerhin, dass ich nur 8RMB für die Soldaten bezahlen musste. Dies funktionierte jedoch nur unter Androhung das Geschäft ohne Einkauf zu verlassen.
Nach der Einkaufstour, bei der insbesondere Melissa zuschlug, machten wir uns mit dem Bus auf den Weg zurück nach Xian. Den Abend verbrachten wir dann bei einem gemütlichen Bierchen im Hostel, wo wir uns länger austauschten. Für mich waren die Erfahrungen der Ausländer in China sehr interessant und eine gute Vorbereitung für das was da noch kommen sollte.
Obwohl ich gedacht hatte, dass ich wieder gesund sei, liess mich am Samstag mein Körper wissen, dass dem noch nicht so sei. Daher blieb ich am morgen erst einmal im Bett liegen. Als ich mich einigermassen ausgeruht fühlte, ass ich ein «schweizerisches» Frühstück im Hostel, bevor ich mich für rund 2 Stunden auf den Weg machte, dass Stadtzentrum zu fotografieren. Zunächst schlich ich nochmals durch das muslimische Viertel, bevor ich Eintrittskarten für den Trommel- und den Glockenturm kaufte.
Auf dem Trommelturm wurde ich von zwei chinesischen Mädchen angesprochen, ob ich denn die Beschriftung der Trommeln verstehen würde. Nett gemeinte Frage, waren die riesigen Trommeln doch nur mit chinesischen Zeichen beschrieben. Die Mädchen machten sich dann die Mühe, um mir bei mindestens der Hälfte der Trommeln zu erklären, wofür sie denn da seien. Da gab es für die unterschiedlichen Abschnitte des Jahres jeweils eine Trommel, so etwas für Herbst- und Winteranfang, etc. Ich kam dann gerade rechtzeitig, um die Vorführung der Trommler zu verfolgen. Diese dauerte eine knappe Viertelstunde und umfasst jeweils 5 Trommler, welche hochsynchron ihre Stücke spielten. Das Spiel war nicht nur hochpräzise, sondern auch ziemlich laut, aber alles in allem den Besuch wert.
Im Glockenturm stimmte das Timing dann leider weniger, so dass ich die Aufführung dort verpasste. Die beiden Gebäude trotzen dem Erneuerungswahn, der sonst in allen von mir besuchten Städten Chinas vorherrscht. So steht der Glockenturm in mitten der grössten Kreuzung im Zentrum Xians.
Nach dieser kurzen Runde nahm ich eine Portion Nudeln zu mir, bevor ich mich wieder im Hostel verkroch. Den Abend verbrachte ich einmal mehr im Gemeinschaftsraum, wo ich einigen anderen Gästen beim Kochen der typisch chinesischen Knödel zuschaute und mich einigen Gästen unterhielt. Lukas und die drei Geschichtslehrerinnen waren sehr an meiner Reise interessiert, so dass ich ihnen die Route erklärte und wo die Herausforderungen lagen.
Der Sonntag war wiederum von einem Morgen im Bett gekennzeichnet. Ich achtete darauf, dass ich mein Bett jedoch bis Mittag geräumt hatte, denn bis dahin musste ich ausgecheckt haben, übrigens typische Auscheckzeit in chinesischen Unterkünften. Beim Frühstück begegnete ich wieder Melissa und Yeroen, die gerade von einer Stadterkundung zurückkamen. Sie hatten vor, sich kurz auszuruhen und um 15:30 zur Big Wild Goose Pagoda loszuziehen. Ich zog noch kurz um den Häuserblock, wobei ich wieder eine Portionen Nudeln fand und wir trafen uns pünktlich, um gemeinsam zur Pagode zu fahren. Mit einem Taxi bewältigten wir die Distanz, um kurz nach 16:00 beim Brunnen vor der Pagode einzutreffen.
Wie in anderen Städten auch, gibt es eine Musikshow, wobei der Brunnen zu verschiedenen Musikstücken gesteuert wird. Eine dieser Shows findet jeweils um 16 Uhr, die andere um 20:30 statt. Das beeindruckende bei dieser Show ist die Grösse des Brunnens, ist es doch der grösste Brunnen Asiens. Wir amüsierten uns über die Tatsache, dass es über Schilder gab, dass das Betreten des Brunnens verboten sei, jedoch standen mehrere Dutzend Leute mitten im Brunnen. Nach einigen Minuten der Show machten wir uns auf den Weg zur Pagode. Der Eingang befand sich auf der dem Brunnen abgewandten Seite, so dass wir einmal rund um den Park spazieren mussten. Die Pagode selber fand ich weniger beeindruckend, dafür gibt es eine relativ grosse Tempelanlage rund um die Pagode. In dieser Tempelanlage sollen die Sutren aufbewahrt sein, welcher der Wandermönch Xuan Zang, einer der wichtigsten Zeugen der Seidenstrasse (Reise in den Westen), aus Indien mitgebracht haben soll.
Während Melissa und Yeroen die Pagode von innen betrachten wollten, verabschiedete ich mich von den beiden, da ich mich bereits auf den Weg zum Bahnhof machen musste, wollte ich meinen Zug nach Beijing nicht verpassen. Obwohl ich vor hatte, ein Taxi zu nehmen, nahm ich schlussendlich doch den Bus, da er gerade dastand. Genau nach meinem Fahrplan war ich beim Hostel, wo ich meinen Rucksack abholte, mich von den Angestellten verabschiedete und mich auf den Weg zur Bushaltestelle machte. Der Bus kam auch nach wenigen Minuten und ich kam bald beim Bahnhof an. Doch da folgte eine grosse Herausforderungen: ganz China schien zu diesem Zeitpunkt einen Zug in Xian nehmen zu wollen. Der Vorplatz des Bahnhofs war zum Bersten mit Menschen gefüllt. Ich erkannte einige Warteräume für bestimmte Züge vor dem Bahnhof. Meine Zugnummer war aber leider nirgends zu finden, auch nicht auf den bunten Anzeigen des Bahnhofs. Ich kämpfte mich also von Bahnmitarbeiter zu Bahnmitarbeiter durch, bis ich in der richtigen Schlange stand, um in den Bahnhof zu gelangen. Der letzte Bahnmitarbeiter meinte noch, ich solle mich beeilen, obwohl ich noch 90 Minuten bis zur Abfahrt meines Zuges hatte. Die Schlange bewegte sich dann doch überraschend schnell, so dass ich keine Drängelkünste anwenden musste und schon rund eine Viertelstunde später im Bahnhof stand. Zum Glück werden die Sicherheitskontrollen in China überhaupt nicht ernst genommen. Ich frage mich auch, ob die Röntgenmaschine für das Gepäck auch röntgt oder nur ein Förderband durch eine Metallkiste ist. Mit der Hilfe eines weiteren Bahnmitarbeiters fand ich dann auch die Warteplätze für dem Z20 nach Beijing, wo ich mich niederliess, bis es Zeit war, den Zug zu besteigen und sich, diesmal im Viererabteil, niederzulassen.