Osh und der Irkeschtam Pass: Zu viele Erwartungen

Für das wunderschöne Land Kirgisien hatte ich ein Visum für einen ganzen Monat. Aufgrund der Temperaturen und dem Schnee sind die Tätigkeiten in diesem armen Land sehr eingeschränkt. Deshalb entschied ich mich auf möglichst direktem Weg nach China weiterzureisen.

Nach meiner doch etwas zeitintensiveren Reise von Fergana nach Osh wollte ich mich in der zweitgrössten Stadt Krigisiens etwas ausruhen und insbesondere den Basar erkunden. Das Hauptziel war jedoch die Organisation einer Transportmöglichkeit zum Irkeschtam-Pass. Niedergelassen hatte ich mich im Osh Guesthouse, einer der ersten Ansprechstellen wenn es um Mitfahrgelegenheiten zur chinesischen Grenze geht. Die Frage, ob ich gerne ein Einzelzimmer oder ein Bett im Mehrbettzimmer hätte, mutete etwas witzig an, war ich doch der einzige Gast im Haus und der Preis um einen Faktor 2 unterschiedlich.
Zumindest in der warmen Jahreszeit fährt ein Bus von Osh in Kirgisien nach Kashgar in China, meinem nächsten grösseren Ziel. Im Winter war dies unsicher, da einerseits wenige Touristen den Bus nützen würden und andererseits die Strasse durch Schnee schwierige Verhältnisse aufweisen würde.

Basar in Osh: Messerschleifer

Basar in Osh: Messerschleifer

Nach einer angenehmen Nacht im Schlafsack machte ich mich zunächst auf den Weg, die möglichen Treffpunkte für Mitfahrgelegenheiten abzuklappern. Einerseits hatte ich schon mit dem Manager des Osh Guesthouses gesprochen, welcher mir eine Fahrt gleich für Dienstag organisieren konnte, andererseits wollte ich noch Alternativen klären. Mein erster Anlaufpunkt war der Argomak 4WD Stand, den ich nach zweimaligem Nachfragen dann auch fand. Der eine Herr dort konnte mir gleich 45 Minuten später eine Mitfahrgelegenheit nach Sary Tasch anbieten, dem letzten grösseren Ort vor dem Pass. Von dort hätte ich mit einem chinesischen LKW trampen müssen. Die anderen Sammelpunkte für Mitfahrgelegenheiten hatten leider nichts anzubieten, so dass ich nach einem Spaziergang durch das Zentrum Oshs zum Osh Guesthouse zurückging, um meinen potentiellen Fahrer zu treffen. Mir war klar, dass ich um diese Jahreszeit wenig Chancen hatte, weitere Touristen zu treffen, weshalb ich mich schlussendlich für die teure Warmduschervariante entschied und mich mit dem Fahrer einigte. Abends um 18 Uhr, direkt nach Einbruch der Dunkelheit, sollte es losgehen.

Einkaufen in Osh: Papeterieartikel

Einkaufen in Osh: Papeterieartikel

Plötzlich war alles ganz schnell gegangen, ich hatte noch rund 5 Stunden in Osh, um mir den Basar und die Stadt etwas anzuschauen, sowie einige E-Mails zu verschicken. Der offene Basar erstreckt sich entlang des Ak-Buura Flusses, welcher mitten durch Osh fliest. Einmal mehr war es spannend in einen Basar einzutauchen. In diesem Fall im wahrsten Sinne des Wortes, da ich durch eine Seitenstrasse in den Kleiderteil des Basars kam, in welchem die angebotenen Kleider auch über der Strasse aufgehängt werden.
Dass Metallbearbeiter auf einem Basar ihr Waren feilbieten und dabei an ihren Produkten hämmern und feilen war nichts Neues, die Menge an Reparaturarbeiten, welche der Basar in Osh bietet, war nirgends so gross. Alle möglichen Geräte wurden dort repariert, Messer geschliffen und Schuhe neu besohlt.

Die Kirgisen kennen mein Ziel. Du auch?

Die Kirgisen kennen mein Ziel. Du auch?

Geht man durch die Strassen Oshs respektive über den Basar, stellt man fest, wie arm das Land Kirgisien ist. Touristisch hat es mit den Bergen einiges zu bieten, die Einheimischen leben jedoch vorwiegend von der Landwirtschaft. Was sich auch bemerkbar macht, ist die Präsenz des amerikanischen Peace Corps, welches in Osh offenbar einen Stützpunkt hat. Man stellt dies weniger durch die Präsenz von zig Amerikanern fest, sondern vielmehr dadurch, dass man auf der Strasse angesprochen und gefragt wird, ob man Amerikaner sei. In Usbekistan wurde ich sehr häufig gefragt, ob ich aus Frankreich komme, was wahrscheinlich den Club Med Pauschalreisen geschuldet ist. Erfahren habe ich dieses und einige weitere Kleinigkeiten von einem Studenten, der im Sommer für das CBT (Community Based Tourism, einer Organisation, welche die lokale Bevölkerung in den Tourismus mit zum Beispiel Jurtenaufenthalten einbezieht).
Kurz vor 18 Uhr war ich dann wieder beim Osh Guesthouse, wo Murat, der Fahrer, bereits auf mich wartete. Ich zog meine wärmsten Kleider an und packte den Rest zusammen und staunte dann nicht schlecht, dass das Auto bis auf den Sitz vorne linke, nämlich meiner, voll war. Eine gängige Masche in Zentralasien, dass einem verkauft wird, man sei der einzige Passagier, wenn die anderen Mitfahrer Einheimische sind. In diesem Fall war es Murats Familie, die sich den Transport bezahlen liess. Ich hatte schlussendlich den vollen Preis bezahlt, aber nicht ohne eine entsprechende Anmerkung, worauf Murat von seinen Eltern einen ziemlichen Einlauf erhalten hat. Bei besseren Bedingungen und mehr Zeit hätte ich auf jeden Fall die Variante Abenteuer mit Trampen gewählt, denn der Preis generell zu hoch, wird jedoch, wie auch von mir, bezahlt. Immerhin hatte ich noch eine Kleinigkeit herausgehandelt.

Gasthaus in Irkeschtam: Ess- und Schlaffläche

Gasthaus in Irkeschtam: Ess- und Schlaffläche

Ein zweiter Nachteil der gewählten Variante war die Fahrt in der Nacht. Bereits die Fahrt von Osh nach Sary Tash führt nämlich, soweit ich das erkennen konnte über drei Pässe. Unglaublich wie viel Verkehr selbst im Winter auf diesen Strassen herrschte. Das meiste sind LKW£s, welche die Märkte Zentralasiens mit chinesischen Billigprodukten bedienen. Kein Wunder also, plant China mit einer Eisenbahnstrecke quer durch Zentralasien, um diese beschwerliche Strecke überflüssig zu machen.
Bis Sary Tash war die vierstündige Fahrt relativ unspektakulär. Dort machten wir dann eine kurze Pause im Haus von Murats Familie. In diesem kleinen Häuschen wohnen drei Generationen auf engstem Raum. Jeder unterstützt jeden und alles wird gemeinschaftlich erledigt. Die Toilette ist 20 Meter vom Haus entfernt aufgebaut. Der schnelle Gang zu Plumpsklo bei den vorherrschenden Temperaturen tief unter dem Gefrierpunkt umständlich.
Nach Sary Tash stieg die Strasse richtig an und wir brauchten für die 90 Kilometer bis zum Dörfchen Irkeschtam, direkt am Grenzübergang gelegen, zweieinhalb Stunden. Die Strecke, welche teilweise von meterhohem Schnee umgeben war, wurde von nur 2 Radladern geräumt. Deren Arbeit beschränkt sich auf das Wegräumen des Schnees an den besonders prekären Stellen. Man kann sich vorstellen, wie gut die Strasse daher geräumt ist, speziell wenn einer der beiden Radlader selbst nicht betriebstauglich ist, wie an jenem Dienstag. Die Strasse ist teilweise nur einspurig befahrbar, wobei an jenen Stellen zwei Spurrinnen die Fahrbahn bilden, welche in LKW Spurbreite ausfallen. Mit dem PKW war es eine echte Herausforderungen diese Stellen zu überwinden, wobei Murat einen hervorragenden Job machte.

Klirrende Kälte am Morgen in Irkeschtam

Klirrende Kälte am Morgen in Irkeschtam

Des öfteren sahen wir jedoch LKW£s, welche festgefahren waren und in Handarbeit vom Schnee befreit werden mussten. Ein weiteres Problem stellte den LKW£s die Temperatur dar. Durch die niedrigen Temperaturen verklumpt der Diesel, weshalb die meisten Fahrer die Motoren rund um die Uhr laufen lassen. Ist dies nicht möglich gehen die Kollegen mit Flammenwerfern gegen die Klumpen vor, ein nicht ungefährliches Unterfangen.
Gegen halb zwei Uhr in der früh erreichten wir dann den Grenzort Irkeschtam. Dort wurde ich in einer Gaststätte für Bauarbeiter und Fernfahrer einquartiert. Allerdings hatte ich die Ehre nicht im Gästeraum, sondern bei den Inhabern zu schlafen. Dazu wurden aus der Essecke drei Schlafplätze gemacht, indem einfach das Tischtuch zur Seite gelegt und durch einige Decken ersetzt wurde. Ich schlief dann einigermassen gut, allerdings viel zu kurz. Bereits um 7 Uhr ging der Betrieb wieder los. Die Mutter der Familie begann mit der Zubereitung allen möglichen Essens, darunter ein Brei zum Frühstück und das Brot für die nächsten Tage. Meine Hoffnung, dass ich frisches Brot erhalten würde verflüchtigte sich sehr schnell, als der Beutel mit dem «aktuellen» Brot ausgepackt wurde.
Nach dem Frühstück hatte ich noch etwas Zeit, bevor wir uns kurz vor 9 Uhr zur Grenze aufmachten. Dort zeigte sich erst einmal, dass Murat die Beamten kannte und ich sofort durchgehen konnte, um meinen Ausreisestempel zu erhalten. Ich hatte auch das Glück, dass ich gleich auf den zweitem LKW, welcher die Grenze an diesem Morgen passierte, zum chinesischen Grenzposten mitfahren durfte.

Niemandsland in den Bergen zwischen Kirgisien und China

Niemandsland in den Bergen zwischen Kirgisien und China

Da gab es allerdings ein kleines Hindernis: mitten im Niemandsland gibt es eine von den Chinesen bediente Schranke, welche bei unserer Ankunft geschlossen war und dies auch erst einmal blieb. Die Schranke wurde erst geöffnet, als es nicht mehr möglich war den chinesischen Grenzposten vor der chinesischen Mittagspause zu erreichen. Da die Chinesen in dieser Höhe anscheinend ein immensen Appetit habe, blieb die Grenze dann auch für die kommenden drei Stunden geschlossen. Immerhin hatten die Chinesen die Reisepässe schon eingesammelt. Da hatte ich genügen Zeit Satar, einen tadschikischen Fernfahrer heuer aber als Passagier unterwegs, kennen zu lernen. Mit meinen bescheidenen Russischkenntnissen schafften wir es immerhin die wichtigsten Eckdaten übereinander zu erfahren und wir gingen auch zusammen essen.

Berglandschaft in China

Berglandschaft in China

Als der chinesische Grenzposten pünktlich wieder öffnete, durften alle Passagier dem jungen Beamten zu den LKW£s folgen. Vorgesehen war, dass jeder mit dem LKW, mit dem er von der kirgisischen Seite gekommen war, weiterfahren würde. Mein Fahrer war jedoch weit und breit nicht zu sehen, so dass der Beamte beinahe verzweifelte und schlussendlich doch die zündende Idee hatte, mich einfach auf einen anderen LKW zu packen. Die Aussage war, dass wir zum eigentlich Grenzposten gefahren würden, um dort die Reisepässe stempeln zu lassen. Ich von einer Fahrt von einigen Minuten aus und staunte dann nicht schlecht, als wir Stunden später bei einem kleinen Kontrollpunkt ankamen. Dort wurde nichts weiter gemacht, als überprüft, ob es zu jedem eingesammelten Reisepass eine Person und umgekehrt geben würde. Dieses Prozedere dauerte gefühlte anderthalb Stunden, bevor es mit der Gruppe von LKWs weiterging. Immerhin war die Landschaft für mich etwas völlig Neues. Berge kannte ich ja, aber solche Berge mit den weiten Tälern waren dann doch neu. Ebenso die abwechselnden Farben, welche sich bei schönstem Wetter mit dem Schnee zu einem schönen Gesamtbild vereinigten.

Romantische Grenzsiedlung beim chinesischen Grenzposten

Romantische Grenzsiedlung beim chinesischen Grenzposten

Auf dem folgenden Teilstück wünschte ich mir dann, ich wäre bei meinem ursprünglichen Fahrer geblieben. Dreimal blieben wir stecken, wobei der Fahrer beim letzten Mal zusätzliche Schneeketten montierte, mit denen es dann weiterging. Als letzte schafften auch wir es gegen 2 Uhr in der früh nach Peking Zeit, entsprechend Mitternacht nach lokalen Verhältnissen, beim Grenzposten anzukommen. Da hatten wir seit der Grenzüberquerung schon rund 150 Kilometer zurückgelegt.

Wieder einmal warten am 2. Kontrollposten

Wieder einmal warten am 2. Kontrollposten

Meine nächste grosse Frage galt der Schlafmöglichkeit. Irgendwie stieg ich in einen Minibus ein, welcher einen weiteren Passagier und mich in einem noch leeren aber immerhin geheizten Raum ablieferte. Dort durften wir übernachten. Ausser einem gefliesten Boden hatte der Raum aber nichts zu bieten. Der zweite Passagier hat eine hauchdünne Matte dabei auf die er sich legte und sich mit seinem langen Mantel zudeckte. Ich entschied mich meinen Schlafsack auszupacken und mich einfach so auf den Boden zu legen.
Der Grenzposten öffnete am Morgen um 11 Uhr nach Peking Zeit, so dass ich noch etwas die Umgebung des Grenzpostens in der Kälte, sowie den Sonnenaufgang bewundern konnte. Dazu muss man wissen, dass im Westen Chinas um diese Jahreszeit die Sonne nach offizieller (Peking) Zeit um 10:30 aufgeht. Die Einheimischen haben jedoch ihre eigene Xinjang Zeit, welche zwei Stunden hinterher hinkt.

Das Land der aufgehenden Sonne

Das Land der aufgehenden Sonne

Bei der offiziellen Einreise nach China bekam ich dann zu ganz besonderen Ehren. Nach dem Motto «die Einreise eines Oli’s in China muss man festhalten», war eine Fotografin in Uniform dabei und dokumentierte meinen Einreiseprozess vom selbständigen Erwerb einer Ein- und Ausreisekarte (was allerdings ein Beamter für mich erledigte) über die eigentliche Passkontrolle bis zum Zoll. Bei letzterem war es diesmal damit getan, dass ich meinen Rucksack röntgen liess.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass die Einreise nach China von der Grenze bis zum Stempel im Reisepass, 24 Stunden und 10 Minuten gedauert hat und ich dabei rund 11 Stunden in LKWs gesessen habe. Dies hat sehr stark damit zu tun, dass es Winter war und wir mit dem LKW rund 2 Stunden stehengeblieben sind. Ausserdem war ich trotz Reiseführer sehr schlecht auf die chinesische Seite dieses Grenzübergangs vorbereitet. Demzufolge hätte nämlich die gesamte Grenzkontrolle beim ersten Grenzpunkt stattfinden sollen, von wo aus man sich eine Fahrtgelegenheit nach Kashgar gesucht hätte.

Alle warten sie am morgen früh auf die Ã-ffnung des Grenzpostens

Alle warten sie am morgen früh auf die Ã-ffnung des Grenzpostens

Mit Satar’s Hilfe hatte ich dann auch einen LKW-Fahrer, welcher mich bis nach Kashgar mitnehmen würde. Diesmal war dies kein Chinese, wie bei den vorigen LKWs, sondern ein Usbeke namens Eschgas Boy. Während der Fahrt tauschten wir einige Kleinigkeiten in Russisch aus, bevor er mir rund zweieinhalb Stunden später klar machte, dass es Zeit wäre auszusteigen, da er von der Autobahn abbiegen musste. Ich bedankte mich mit einem usbekischen «Rachmat» (Danke) und fragte mich, wie ich von der Autobahnausfahrt wegkommen würde. Es dauerte allerdings keine 2 Minuten bis ein Taxi aufkreuzte und mich für den Preis, welcher mir Satar als vernünftig genannt hatte, in die Altstadt mitnahm. Zum Glück war der Taxifahrer ein Uighure, so dass ich mindestens den Preis den er nannte verstand. Die uighurische Sprache gehört nämlich zur Gruppe der türkischen Sprachen, welche in ganz Zentralasien (ausser Tadschikistan) gesprochen werden. Das einzige, was etwas schwieriger mitzuteilen war, war meine Destination. Mit meinen chinesischen Namen in lateinischer Schrift konnte der Kollege nichts anfangen. Schlussendlich nannte ich ihm eine Sehenswürdigkeit in er Nähe meiner gewünschten Unterkunft und fand den Weg dorthin auch.

Der nette usbekische Fernfahrer

Der nette usbekische Fernfahrer