Kashgar: Gespaltene Persönlichkeit

Nach den Ländern Zentralasiens folgte mit dem letzten Grenzübertritt meiner Reise der Eintritt in eine neue Kultur. Doch so anders ist die Kultur der Uighuren gar nicht, als diejenige der zentralasiatischen Staaten. Doch in Kashgar, wie auch sonstwo in Xinjiang, leben nicht mehr nur Uighuren, sondern mitterweile eine beachtliche Anzahl an Han-Chinesen.

Kashgar ganz im Westen von China gelegen war einer der zentralen Knotenpunkte der Seidenstrasse. Hier trafen die Wege aus dem Süden, aus Indien und Pakistan, aus dem Westen, aus Zentralasien und aus dem Osten, der chinesischen Seidenstrasse, zusammen. Dieser Knotenpunkt ist heute spürbar durch die Touristen, welche in alle Himmelsrichtungen unterwegs sind und hier vorbeikommen.

Eindruck der Altstadt von Kashgar

Eindruck der Altstadt von Kashgar

Nach vielen Tagen als Einzelkämpfer in Sachen Reisen traf ich in Kashgar auf viele andere Reisende, welche ähnlich wie ich unterwegs sind. In der Diskussion mit einem russischen Pärchen, sowie einem Amerikaner stellten wir fest, dass die Chinesen nur wenige Tage vor meinem Grenzübertritt ihren neuen Grenzposten eröffnet haben mussten. Jeder hatte seine Geschichten zu erzählen. Am meisten fasziniert waren wir jedoch alle von den Geschichten von Ruben aus Frankreich, der gerade über Tadschikistan und Kirigisien aus Afghanistan gekommen war. Es war sehr spannend zu hören, wie die Zustände in jenem zerrütteten Land wirklich sind. Seine Erlebnisse waren sehr spannend, jedoch nach seinen Erzählungen würde ich mich aktuell nicht in das Land trauen, denn zu gross sind noch die Unsicherheiten und Gefahren. Insbesondere ist es anscheinend sehr schwierig an zuverlässige Informationen bezüglich Sicherheit zu kommen. Wir nutzten jeweils die Abende im Kashgar Old Town Youth Hostel, um unsere Erfahrungen und Pläne auszutauschen. Für mich ist es immer wieder interessant zu sehen, wie unterschiedlich die Leute unterwegs sind. So waren die beiden Russen, Dascha und Slava, mit minimalem Budget unterwegs. Diese bedeutet für die beiden, dass sie nach Möglichkeit trampen und nichts für den Transport bezahlen. In Russland und Zentralasien funktionierte dies dank ihre Sprache sehr gut, in China sind die Herausforderungen ungleich grösser. So entschieden sie sich in Holzklasse (Hard Seat) fast quer durch China nach Lanzhou zu fahren.

Strassenszene aus Kashgar die die Oase erkennen lässt

Strassenszene aus Kashgar die die Oase erkennen lässt

Ich nutzte die zwei Tage um meine Weiterfahrt zu klären, etwas Bargeld zu organisieren und vor allem die zweigeteilte Stadt kennenzulernen. Die ursprünglich uighurische Stadt wird zunehmends in eine chinesische Stadt umgebaut. Die Behauptungen, dass man gleich mit dem Bulldozer durch die uighurische Altstadt rollt, konnte ich so nicht nchvollziehen. Allerdings sieht man an sehr vielen Stellen in den uighurischen Vierteln den Aufbau von mordernen chinesischen Gebäuden und Wohnkomplexen.

Säuberung auf chinesisch

Säuberung auf chinesisch

Geht man allerdings durch die Gassen der Altstadt und darumherum, findet man noch sehr viel traditionelles uighurisches Leben. Neben der grössten Moschee China’s, der Id Kah Moschee im Zentrum Kashgars, findet man in den Nebenstrassen immer wieder kleine Moscheen, welche auch fleissig besucht werden. Das beeindruckende Ereignis, das ich beobachten durfte, war allerdings das Ende des Freitagsgebets in der Id Kah Moschee. Tausende von traditionell gekleideten Uighuren strömten auf den grossen Platz vor der Moschee und die umliegenden Strassen, wo eifrige Händler ihre Stände aufgebaut hatten und auf die vorwiegend männlichen Kunden warteten.

Freitags nach dem Gebet: Sie strömen aus der Moschee

Freitags nach dem Gebet: Sie strömen aus der Moschee

Neben den üblichen Einkäufen hatten insbesondere die Imbisse und Restaurants Hochkonjunktur. Im Nachtmarkt gegenüber der Moschee waren keine freien Sitzplätze zu finden. Die Kebab-Köche waren ohne Unterbruch damit beschäftigt ihre Glut möglichst heiss zu halten und die Spiesse von Leber, Lamm- und Hähnchenfleisch zu wenden und an die hungrigen Gäste zu verteilen.

Freitags nach dem Gebet: Sie füllen die Strassen

Freitags nach dem Gebet: Sie füllen die Strassen

Dachte ich noch während des Freitagsgebetes, dass es an diesem Tag nicht wert sein würde die Spiegelreflexkamera in die Strassen mitzunehmen, änderte ich meine Meinung sehr schnell und eilte zurück zur Unterkunft, um mich besser auszurüsten. Mein Ziel war, möglichst viele der charakteristischen Gesichter beim Bewerten der Waren und beim Verhandeln einzufangen. Die Menschen waren so mit den Waren beschäftigt, dass ich ohne Probleme sehr nahe an die Leute gehen konnte und ihnen mein Objektiv beinahe ins Gesicht halten konnte. All dies tat ich jedoch so, dass ich sie nicht aus ihrer Konzentration riss.

Freitags nach dem Gebet: Man ist hungrig

Freitags nach dem Gebet: Man ist hungrig

Am Samstag machte ich mich zunächst alleine auf den Weg, um einige Strassenzüge ausserhalb der Altstadt zu erkunden. Dabei fiel mir auf, dass die Häuser zusammengebaut sind und eine Mauer zur Strasse hin aufweisen, welche durch ein grosses Tor Zutritt zu einem schönen Innenhof gibt. Dies ist exakt das selbe Muster, welches man in den Wüstenstädten im Iran, wie zum Beispiel in Kashan, findet, auch hier vorherrscht. Ich gehe davon aus, dass diese Verwandtheit auf den Austausch über die Seidenstrasse zurückgeht.

Freitags nach dem Gebet: Was gibt es denn hier zu essen?

Freitags nach dem Gebet: Was gibt es denn hier zu essen?

Am Nachmittag machte ich mich mit Ruben auf den Weg zum Sonntagsmarkt, welcher mittlerweile die ganze Woche über geöffnet ist, allerdings am Samstag nicht sehr viele potentielle Kunden aufweist. Ruben war auf der Suche nach einem neuen Hut, obwohl er sich einen sehr schönen in Tadschikistan gekauft hatte. Verschiedenste Händler hatten sein Interesse bemerkt, jedoch war es dann doch nicht gross genug, um noch einmal beim Kauf zuzuschlagen. Auf dem Markt setzten wir uns in einen Imbiss, um einen Tee zu trinken. Der Inhaber zeigte sofort Interesse an Rubens Hut, doch die zehn Dollar waren ihm dann doch zu teuer. Interessant zu wissen, dass Ruben für den Hut 25 Dollar bezahlt hatte.

Freitags nach dem Gebet: Warum nicht ein Paar neue Schuhe?

Freitags nach dem Gebet: Warum nicht ein Paar neue Schuhe?

Ich nutzte die Zeit in Kashgar auch, um mir Gedanken über die Ziele in Xinjiang zu machen. Zentral in meiner Planung war die Busfahrt durch die Takla-Makan Wüste. Da ich einige Tage früher als erwartet in Kashgar war, konnte ich einige Zwischenhalte dazunehmen. So entschied ich, anstatt direkt nach Hotan zu fahren, noch einen Halt am Sonntag in Yarkand für den Sonntagsmarkt der Stadt einzulegen.

Einkaufen in Kashgar: Stoffe auf dem Sonntagsmarkt

Einkaufen in Kashgar: Stoffe auf dem Sonntagsmarkt

Am Sonntagmorgen machte ich mich dann im Schneetreiben auf den Weg zum Busbahnhof, um den nächsten Bus nach Yarkand zu nehmen. Dieser fuhr dann erst um 11:00 Peking-Zeit, so dass ich mehr als eine Stunde am Busbahnhof sitzen musste. Durch die schlechten Strassenbedingungen dauerte die Fahrt dann auch viel länger als erwartet, so dass mein Plan möglichst früh in Yarkand zu sein, nicht ganz aufging. In diesem Fall hätte ich besser den Zug genommen…

Einkaufen in Kashgar: Die Strasse der Kesselflicker

Einkaufen in Kashgar: Die Strasse der Kesselflicker