Nach knapp 2 Wochen in der Provinz Xinjian, dem Land der Uighuren, war es Zeit die zweite Provinz in China zu entdecken. Der erste Stop in der Provinz Gansu war Jiayuguan, berühmt dafür, dass dieser Ort das westliche Ende der chinesischen Mauer während der Ming-Dynastie darstellte.
Nach der anstrengenden Reise von Turpan nach Jiayuguan mussten Tim und ich uns erst einmal erholen. Nachdem wir im Lianshiju Guesthouse eingecheckt hatten, legten wir uns erst einmal hin und gönnten uns einen ausgiebigen Mittagsschlaf. Dieser dauerte dann beinahe den ganzen Nachmittag.
Obwohl das Erlebnis in der Holzklasse ein einmaliges war, sollte es auch ein einmaliges bleiben. Deshalb machte ich mich nach dem Mittagsschlaf auf den Weg, um entweder Bus oder Zugfahrkarten nach Xining oder Lanzhou zu finden. Auf dem Busbahnhof erhielt ich die Information, dass es keinen Nachtbus von Jiayuguan nach Xining gibt. Daher würde die Reiseroute zwangsläufig über Lanzhou führen.
Die Reise mit dem Nachtbus wäre zwar etwas günstiger gewesen, aber nach meinen Erfahrungen mit den chinesischen Schlafbussen zwischen Hotan und Kuqa zog ich den Zug vor. Tim war bei den letzten Klärungen am Busbahnhof wieder dabei und wir fragten einen jungen Chinesen, der sich den westlichen Namen Michael (Jackson) zugelegt hat, wo der Bus 2 zum Bahnhof fährt. Ich stieg schliesslich mit Michael in den Bus ein und wir hatten unterwegs eine ziemlich witzige Unterhaltung. Irgendwann wunderte ich mich jedoch, dass die Busfahrt so lange dauerte und ich fragte bei Michael nach. Er meinte dann, dass wir bereits in einer Nachbarstadt von Jiayuguan seien und er mir ein Taxi für 16RMB zurück zum Bahnhof von Jiayuguan organisieren könnte. Ich lachte ihn aus und liess ihn wissen, dass ich den selben Bus zurück nehmen könnte. Daraufhin meinte er, dass er auch ein Taxi für 10RMB organisieren könnte. Dankend lehnte ich ab.
Der Bus fuhr bis zur Endhaltestelle, wo der Busfahrer dann alle Fahrgäste aussteigen liess, sogar diejenigen, welche nach Jiayuguan fahren wollten. Auf einem Platz gab es dann eine lange Schlange, in welche ich mich auch stellen sollte. Einige Minuten später tauchte dann wieder ein Bus auf, in welchen ich einstieg, um zurück nach Jiayuguan zu kommen. Als mir die Umgebung wieder etwas bekannter vorkam, fragte ich einen Fahrgast, wie ich zum Bahnhof kommen würde und er sagte mir ich solle sofort aussteigen. Dies tat ich und eine Dame an der Bushaltestelle liess mich wissen, dass ich auf die andere Strassenseite wechseln müsste und den Bus 1 nehmen sollte. Dieser brachte mich dann erfolgreich zum Bahnhof, wo ich schliesslich und endlich eine Fahrkarte kaufen konnte. Das einzige Problem war, der Dame klarzumachen, dass ich die Karte für den folgenden Tag wollte. Ich schrieb ihr das korrekte Datum drei Mal in unterschiedlichen Formaten auf einen Zettel, das half aber alles nichts. Schliesslich half mir eine Dame aus der Schlange weiter und ich erhielt die korrekten Fahrkarten für den Nachtzug im 6er Abteil nach Lanzhou.
Am Donnerstag, mittlerweile erholt von den Strapazen des Stehplatzes im Nachtzug, machten Tim und ich uns auf den Weg zu den Touristenattraktionen rund um Jiayuguan. Unser erstes Ziel war das Fort von Jiayuguan. Bequem kamen wir mit dem Bus dorthin und wurden direkt vor dem Eingang des Touristikzentrums abgesetzt. Man könnte sich mittlerweile an die Preiserhöhungen gegenüber dem Reiseführer gewöhnt haben, jedoch war ich jedes Mal wieder überrascht, wenn Eintritte oder Üebernachtungskosten 20% und mehr höher lagen, als im Reiseführer in der Ausgabe vom letzten Jahr.
Zunächst machten wir eine kurze Runde durch den Park vor dem Fort und liefen über den See. Wir wählten einen direkten Weg vom See zum Fort, was, wie sich herausstellte, nicht die allerbeste Idee war. Der einzige Eingang zum Fort lag nämlich auf der anderen Seite der riesigen Festung.
Das Fort von Jiayuguan ist die letzte Festung der chinesischen Mauer im Westen. Einige Kilometer weiter westlich gibt es noch einen Beobachtungsturm und dann endet die Mauer abrupt an einer Schlucht. Die Festung besteht aus einigen Innenhöfen, welche alle durch riesige Mauern mit jeweils genau einem Tor getrennt sind. Man erhält den Eindruck, dass diese Festung uneinnehmbar war.
Bei schönem Wetter sollen die Hei Shan (schwarze Berge) und die Mazong Shan sichtbar sein. Wie in den anderen Städten, welche wir bisher besucht hatten, war es allerdings sehr dunstig, so dass die Fernsicht stark eingeschränkt war und wir die Berge nicht sehen konnten. Nachdem wir alle Ecken des Fort besichtigt hatten, machten wir uns auf den Weg zum Museum, welches direkt nebenan liegt. Das Museum erklärt die verschiedenen Aspekte der chinesischen Mauer einmal im Gesamten und die Mauer rund um Jiayuguan im Speziellen. Sehr schön dargestellt und mit Modellen unterlegt, so dass man auch einen Üeberblick erhält, in welchem Kontext man sich befindet. Für mich besonders beeindruckend war die Tatsache, dass rund eine Million Soldaten auf oder um die Mauer stationiert waren. Gemessen an der Bevölkerung Chinas scheint dies allerdings nicht so viel zu sein, jedoch hatte die Mauer im frühen 16 Jahrhundert ihre grösste Ausdehnung erreicht. Ebenfalls interessant war die Beschreibung, wie die Soldaten die Zeit zu verbringen hatten, wenn sie keine militärischen Aufgaben hatten. Dies taten sie nämlich, indem sie mit Landwirtschaft zur Versorgung der Soldaten beschäftigt wurden. Zwei Dinge durften natürlich auch nicht fehlen: einmal die Bilder der ranghohen Politiker, welche das Fort und das Museum besuchen, und dann auch der Shop, durch welchen man geschleust wird, bevor man das Museum verlässt.
Die Eintrittskarte für das Fort und das Museum war gleichzeitig auch für die sogenannte überhängende Mauer und den letzten Beobachtungsposten gültig. Leider gab es keine öffentlichen Verkehrsmittel, um diese zwei jeweils rund 7.5km in entgegengesetzter Richtung vom Fort gelegen Punkte zu erreichen. Ich versuchte mein Glück ein chinesisches Pärchen zu überzeugen, dass sie uns mitnehmen könnten. Diese waren aber strikt dagegen. Also blieb uns nichts anderes übrig, als ein Taxi zu bemühen. Der erste Fahrer wollte 16RMB haben, um zur überhängenden Mauer zu kommen, als wir jedoch im Auto sassen, waren dies plötzlich 60RMB für Hin- und Rückfahrt. Er hatte wohl nicht damit gerechnet, dass wir wieder aussteigen würden. Der zweite Taxifahrer wollte zunächst 100RMB für beide Sehenswürdigkeiten, anscheinend der Preis, der für Touristen angemessen ist. Als wir jedoch weitersuchen wollten, korrigierte er sein Angebot auf 90RMB, worauf wir mit ihm dann los fuhren.
Die überhängende Mauer hat ihren Namen durch ihr Aussehen erhalten. Erreicht man die Mauer vom Fort kommend, so sieht es aus, als hätte jemand die Mauer vom Berg gehängt. Wir machten uns gleich auf den Weg der Mauer bis auf dem Berg entlang zu gehen, denn wo oben ist, hat man meist die bessere Aussicht. Die Mauer wird sehr gut instand gehalten und mit originalen Materialen renoviert. So kommt es, dass die Mauer sich in einem hellen Gelbton sehr stark von dem schwarzen Gestein abhebt, auf welchem sie errichtet wurde. Etwas enttäuscht waren wir allerdings, als wir oben angekommen auch das Ende der Mauer erreicht hatten. Wir hatten uns beide darauf eingestellt, dass man sehen würde, wie sich die Mauer über die Berge schlängelt. Nach einigen Fotos machten wir uns dann wieder auf den Weg nach unten, diesmal allerdings über einen Fussweg. Dieser bot eine schöne Aussicht auf die Mauer, sowie auf die Tempel, welche unter uns lagen. Die Tempel besuchten wir dann als nächstes, wobei ein älterer, freundlicher Herr mit einigen Zahnlücken uns auf all die Sehenswürdigkeiten aufmerksam machte. Schlussendlich machten wir uns auf den Weg zum Taxifahrer, der uns dann auf direktem Weg zur letzten Beobachtungsplattform brachte. Die Plattform ist nichts weiter als ein Turm am Ende der Mauer, direkt an einer Schlucht gelegen. Rund um diese Plattform wurde jedoch eine grösser werdenden Infrastruktur für den Tourismus errichtet. So gibt es mittlerweile einen Rundwanderweg, welcher an Shops und Skulpturen vorbeiführt und über eine Hängebrücke den interessierten Touristen auf die andere Seite des Flusses bringt. Der Rückweg wird dann einige hundert Meter weiter mit einer Seilbahn bewältigt, für welche wieder ein Entgelt fällig wird. Aus dieser Sicht kann man sagen, dass die Chinesen nicht nur Kommunisten, sondern auch Kapitalisten sind. Wir sparten uns allerdings die 31RMB für die Seilbahn und machten uns zu Fuss zurück zum Taxi, nachdem wir die Statuen und die Hängebrücke besichtigt hatten. Der Taxifahrer brachte uns schlussendlich zurück nach Jiayuguan, wo wir uns noch etwas auf Erkundungstour machten, speziell um etwas Essbares zu finden.
Auf dem Markt überredete uns dann ein Herr, seine Kebabs auszuprobieren und gegenüber von seinem Stand erhielten wir dann noch Nudeln, um wieder Energie zu tanken. Wir schlenderten noch etwas durch die Strassen, bevor wir uns dann auf den Weg zum Bahnhof machten, um den Zug um 21:00 nach Lanzhou zu erwischen. Im Bahnhof wurden wir dann von einigen chinesischen Jungs angesprochen, die wissen wollten, was wir denn vor hätten und wo wir in China schon waren.
Eine Viertelstunde vor Abfahrt begaben wir uns zum Zug, wo wir auch gleich unser Abteil und unsere Betten fanden. Wir quartierten uns sofort ein und legten uns hin. Die Einheimischen packten ihr Essen aus und genossen dieses, bevor ungefähr eine Stunde nach Abfahrt die Lichter gelöscht wurden und offiziell Nachtruhe war. Rund eine halbe Stunde vor Ankunft in Lanzhou gingen die Lichter wieder an und alle packten ihr Sachen zusammen.
Immer wieder ist es interessant zu sehen, wie die Chinesen es eilig haben und ihre Wünsche sofort erledigt werden müssen. Für einen Chinesen scheint es undenkbar zu sein, 2 Minuten zu warten, bis das Chaos vor ihm sich aufgelöst, bevor er sich zu seinem Abteil begibt. Wie magnetisch getrieben zieht es den Chinesen auf direktem Weg zu seinem Ziel, ohne Kompromisse. Zum Glück gibt es allerdings hie und da eine seltene Ausnahme…
Ach ja, noch etwas: heute ist ja Sylvester. Allen die bisher on-line bei der Reise dabei waren ein frohes Neues Jahr! Auch wenn es nicht das Ende das Jahres sein muss: viel Erfolg bei der Umsetzung der eigenen Ideen und den Mut, die Dinge in die Hand zu nehmen.