Van: Kurdische Gastfreundschaft

Mein letzter Ort in der Türkei, wo ich halt machte, war die kürzlich durch ein Erdbeben erschütterte Stadt Van. Die Unsicherheit, ob die Reise durch das Erdbebengebiet überhaupt funktioniert, war gross. Dass ich es dennoch versucht habe, hat sich gelohnt.

Das Timing für den Besuch des Grenzstädtchens Van ganz im Osten der Türkei gelegen, hätte viel ungünstiger nicht sein können. Einerseits hat vor kurzem ein Erdbeben die Region heftig erschüttert, andererseits feierten die Muslime in der Türkei den zweiten Tag des muslimischen Opferfestes.
Die Folgen des Erdbebens waren weitherum sichtbar, wenn auch nicht im Stadtzentrum, mit den relativ neuen Geschäftsgebäuden, sondern vielmehr etwas ausserhalb, in den Wohnvierteln. Durch die Bilder im Fernsehen und im Internet, war ich auf das Schlimmste gefasst, ich fand allerdings etwas ganz anderes vor, als ich erwartet hatte. In den Medien war hauptsächlich die Rede von eingestützten Häusern und Toten. Die Grauzone allerdings wurde weniger erwähnt. Als Grauzone bezeichne ich hier die Leute, welche Schäden an ihren Häusern feststellen mussten und sich nun auf Grund der Nachbeben fürchten, in eben diesen Häusern zu wohnen.

Folgen des Edrbebens

Folgen des Edrbebens

Ich war auf dem Weg, die etwas ausserhalb von Van gelegene Burg mit der Altstadt zu besuchen, als ich einen Kurden traf, der sich für mich und mein Ziel interessierte. In gebrochenem Englisch schlug er vor, in seinem Haus, etwas hundert Meter weiter, einen Tee zu trinken. Er führte mich zu seinem Haus, in dessen Mauern meterlange Risse zu erkennen waren. Wir gingen dann nichts ins Haus, wie ich es erwartet hatte, sondern er öffnete die Tür zu seiner Garage, wo sich die ganze Familie häuslich eingerichtet hat.
Die Familie Dag hat es verhältnismässig gut in der Garage, denn die Mehrheit der Leute wohnt in Zelten, welche man über die ganze Stadt verteilt in den Gärten antrifft. Ein grosses Problem bei der vorherrschenden Kälte ist natürlich die Heizung. Die Familie Dag hat ihren Ofen aus dem Haus in der Garage installiert und den Schornstein nach aussen geführt. Die Zelte haben keine Heizung und keine Lüftung. Ungünstig, falls in den Zelten Feuer gemacht werden sollte, was einige tun. Die Folgen sind dann Erkrankungen der Atemwege durch Rauch.
Islam, der zweite Sohn der Familie, kann gut Englisch, so dass ein Austausch sehr gut möglich war. Wo er dann auch nicht weiter wusste, half Google Translate weiter, allerdings auch nicht immer erfolgreich… Die übliche Frage zur Religion wurde mir gestellt und dann aber auch, was ich von der Situation der Kurden in der Türkei und der PKK halten würde. Ein sehr delikates Thema, insbedondere die PKK… es gelang mir zum Glück die Diskussion so zu führen, dass ich nicht in einem hohen Bogen aus der Garage geworfen wurde.
Nach einer Weile gab es dann nicht den erwarteten Tee, sondern es wurde gleich das Mittagessen aufgetischt. Zumindest für die Männer. Die älteste Tochter kümmerte sich darum, dass alle Männer Essen und Trinken vor sich hatten und setzte sich dann mit ihrer Mutter und der kleinen Schwester neben die Runde der Männer, die sich daran machten, das Lammfleisch, die mit Reis gefüllten Paprika, den Möhren-Tomaten Salat und das Brot zu essen. Das Essen schmeckte hervorragend.

Mittagessen auf kurdisch gegenwärtig in der Garage

Mittagessen auf kurdisch gegenwärtig in der Garage

Nach dem Essen, pauderten wir dann munter noch etwas weiter und tranken noch einen Tee. Nachdem ich rund 3 Stunden bei der Familie war, und ihnen auch noch Fotos von meiner und Lenka’s Familie gezeigt hatte, machte ich mich dann auf den Weg zur ehemliagen Festung von Van.
Von der Festung gibt es einen einmaligen Blick über den Van-See und die Stadt mit den Gebirgen im Hintergrund. Ich hatte allerdings einen illegalen Eingang gefunden, so dass ich mich nicht traute, ganz auf die Burg zu klettern… ich weiss nicht, ob an Bajram, der Eintritt frei gewesen wäre.
Den späteren Nachmittag verbrachte ich mit der Jagd nach Essen. Einmal für die bevorstehende Bahnfahrt von rund 24 Stunden, dann aber auch für sofort, da es schon später geworden war und ich von meiner Wanderei schon wieder Hunger hatte. Zum Dessert setzte ich mich dann in eine der Konditoreien, für die Van berühmt ist. Es gibt einen guten Grund für die Berühmtheit!

Die Aussicht von der Festung Van

Die Aussicht von der Festung Van

Am Vormittag hatte ich am Bahnhof die Info erhalten, dass am Abend ein Zug nach Teheran fahren würde. Da das Ticket-System aufgrund des Erdbebens nicht funktionieren würde, müsste ich gegen 20 Uhr am Bahnhof sein und würde dann meine Fahrkarte erhalten. Ich war mir nicht sicher, ob das funktionieren würde, wusste ich doch nicht, wie voll der Zug sein würde und ob ich dann einen Platz erhielte… Wie sich herausstellte, war die Sorge unbegründet, denn für die 5 Fahrgäste war mehr als genug Platz im Zug.
Ich war kurz vor 20 Uhr am Bahnhof, um die Info zu erhalten, dass ich keine ausgedruckte Fahrkarte erhalten könnte, da das Ticketsystem aufgrund des Erdbebens defekt wäre. Als ich dann aber einige Minute später doch eine ausgedruckte Fahrkarte in den Händen hielt, war mir klar, dass der Kollege von der Bahn einfach nicht wusste, wie man den Drucker bedienen musste. Er gab mir dann auch noch die Info, das der Zug heute um 23:30 fahren würde. Warum wusste er erst jetzt, wann der Zug genau fahren würde? Bei meiner Verbindung handelt es sich um die Verbindung von Damaskus in Syrien nach Tehern im Iran. Diese führt mit einem syrischen Zug von Damaskus bis Tatvan. Dort werden die Passagiere und ein Gepäckwagen auf die Fähre über den Van-See verladen. Die Fähre trifft dann 4-5 Stunden später in Van aus, wo der Gepäckwagen an den iranischen Zug gekoppelt wird und die Fahrgäste in den iranischen Zug einsteigen.

Treffpunkt Speisewagen

Treffpunkt Speisewagen

Wir durften am Hauptbahnhof in Van in den aus dem Iran kommenden Zug in den Speisewagen einsteigen, um dann am Hafen ein Abteil zugewiesen zu erhalten. Das Zugpersonal entschied sich die Fahrgäste auf 2 Abteils zu verteilen, so dass ich das Abteil mit einem Iraker, welcher in Syrien lebt, und einem Iraner zu teilen. Der Iraker sprach zum Glück für uns beiden anderen, etwas Englisch und etwas Persisch, so dass eine einfache Kommunikation möglich war.
Was folgte war eine Zugfahrt durch Schneeberge und ausgetrocknete Ebenen. Gegen 3:30 erreichten wir die türkisch-iranische Grenze. Dort mussten alle aussteigen und am türkischen Grenzposten den Ausreisestempel abholen. Danach hiess es wieder einsteigen und die Fahrt ging weiter. Einige Minuten später hiess es dann wieder «Passports!» und ein iranischer Grenbeamter ging durch den Zug und sammelte die Pässe ein. Wieder etwas später hiess es wieder «Passports!» und wir erhielten den Reisepass mit Einreisestempel für Iran zurück. Das war einfach!
In Tabriz, der ersten grossen Stadt im Iran, hielt der Zug dann für eine knappe Stunde, so dass ich erst einmal Geld wechseln konnte und ein Polizist noch die Gepäckkontrolle durchführen konnte. Die Aussage «Tourist!» hielt ihn davon ab, diese wirklich durchzuführen und er zog weiter.

Verschneite Landschaft im Norden Irans

Verschneite Landschaft im Norden Irans

Erwartete Ankunfszeit in Teheran war Mitternacht, wobei der Iraner in unserem Abteil die Hoffnung hatte, dass wir schon um 23 Uhr da sein würden, so dass er seine Reise nach Shiraz mit dem Bus für weitere 10 Stunden fortetzen könnte. Bis wir dann tatsächlich in Teheran waren, war es 2 Uhr und ich war so gerädert, dass ich einfach ins nächste Taxi stieg und mich zum Hotel Firouzeh bringen zu lassen. Die Fahrt war dann mal wieder schweineteuer, doch im Hotel gab es noch ein freies Zimmer mit Warmwasser, so dass ich mich gleich unter die Dusche stellte und im Bett verschwand. Gut dass es bis 10:30 am nächsten Morgen Frühstück geben sollte…