Von Mary nach Dashoguz nahm ich voraussichtlich das einzige Mal während meiner Reise den Flieger. Üeber die Karakum Wüste führte der Flug in den Nordosten Turkmenistans, einen Teil der turkmenischen Landwirtschaftsgegend und früher wichtiger Knotenpunkt auf den Handelsstrassen.
Als ich am Sonntag früh aus dem Fenster schaute, traute ich meinen Augen nicht. Der erste Morgen in Turkmenistan mit Sonne! Mein offizielles Programm sah den Flug nach Dashoguz für diesen Tag vor. Da ich erst um 11:45 von Murat zum Flughafen gebracht werden sollte, nutzte ich den Vormittag für einen kleinen Spaziergang zum nächstgelegenen Internet Café, um meinen Blog upzudaten.
Der Flug von Mary nach Dashoguz war im Grossen und Ganzen so, wie man einen Linienflug erwartet. Einige kleine ungewohnte Szenen gab es dann doch. Zum Beispiel gab es in Mary ein Terminal, ein Checkin-Schalter, ein Gate, zwei Sicherheitskontrollen und zwei Start- und Landebahnen. Einmal mehr hatte ich den Eindruck, dass zur Einstellung in den uniformierten Dienst vor allem eine grimmige Miene und ein gesundes Misstrauen notwendig sind. Gepäck, Reisepass und Ticket wurden sowohl beim Betreten des Terminals, als auch beim Betreten des Warteraums am Gate sorgfältig kontrolliert. Die ganze Prozedur verlief aber reibungslos.
Das Boarding funktionierte dann ohne Durchsage, sondern 45 Minuten vor Abflug wurde einfach die Türe Richtung Rollfeld geöffnet und die Leute strömten hinaus. Das Flugzeug war einfach zu finden, war es doch das einzige auf dem Flughafen, der zwei Flüge pro Woche nach Dashoguz und drei Flüge täglich nach Ashgabat bietet.
Der Flug führte von Mary über die Karakum Wüste nach Dashoguz im Norden des Landes. Aus der Luft waren die aufwändigen Bewässerungssysteme welche für die Landwirtschaft notwendig sind sehr schön sichtbar. Der Westen Turkmenistans, die Provinzen Dashoguz und Lebab, sind die landwirtschaftlich am intensivsten genutzten Gebiete. Dies hängt insbesondere mit dem Fluss Amu-Darya zusammen, welcher sich entlang der Grenze zu Usbekistan schlängelt und früher einmal den Aralsee gespiesen hat. Durch die intensive landwirtschaftliche Nutzung des Wassers trocknet dafür der Aralsee mittlerweile aus. Die Folgen sind hinreichend bekannt.
Beim Aussteigen aus dem Flugzeug hatte ich dann vor ein Foto vom Terminal zu machen. Gleich wurde aber wieder die Hand gehoben, dass dies verboten sei. Schade, denn neben dem Flughafengebäude war eine Flotte von rund 20 Antonovs An-2 in turkmenischer Bemahlung zu sehen.
Im Terminal traf ich dann Veyis, meinen Fahrer. Er half mir dann bei der für mich ungewohnten Gepäckausgabe. Das Gepäck wurde von einem Fördeband auf eine rund vier Quadratmeter grosse Ablage gestapelt. Natürlich drängten alle Leute zu diese Ablage und diejenigen, deren Gepäck zuletzt auftauchte, standen in der ersten Reihe. Ein heilloses durcheinander war die Folge. Ich erhielt jedoch meinen Rucksack und musste beim Ausgang dann anhand des Gepäckbeleges nachweisen, dass er auch tatsächlich mir gehört.
Mit Veyis machte ich mich gleich auf zum Sightseeing. Wir besuchten die Festung Izmikshir rund 25 Kilometer süd-westlich von Dashoguz. Die Festung wurde vor gut 2000 Jahren gebaut und die ursprünglich 20 Meter hohen Mauern stehen heute noch stolz da. Die Ruine macht einen sehr gepflegten Eindruck, sogar einen markierten Pfad für Touristen und offizielle Parkplätze gibt es. Veyis reichte mir ein Magazin für Tourisums und Sport in welchem ein von ihm verfasster Artikel zur Festung zu lesen war. Veyis arbeitete bis vor 2 Jahren als Tourismusdirektor in Dashoguz. Mittlerweile ist er Rentner und führt Fahrdienste für die Tourismusorganisationen durch. Mit meinen Bruchstücken Russisch schafften wir es, uns über einige Kleinigkeiten auszutauschen. So habe ich erfahren, dass Veyis zwei Töchter und zwei Söhne und sechs Enkel hat.
Den Weg zurück zur Stadt wählten wir durch die Dörfer, welche hier von Landwirtschaft geprägt sind. Spannend fand ich die Idee, getrocknetes Stroh auf den Flachdächern der Häuser zu lagern. Da die Gegend sehr trocken ist, sicher keine schlechte Lösung, da das Stroh auch nach kleiner Feuchtigkeit sehr schnell wieder trocknet. Veyis fuhr dann auch durchs Stadtzentrum, wo ich die selben Gebäude wie in Mary in Marmor zu sehen bekam. Das Hotel liegt leider etwas ausserhalb, aber immerhin gibt es in der Nähe einen Basar und einige Restaurants.
Der Besuch am Montag galt der ehemaligen Millionenstadt von Konye-Urgench, was soviel bedeutet wie altes Urgench. Das neue Urgench, welches nach Zerstörung der alten Stadt und durch ûnderung des Flusslaufes des Amu Darya anderswo aufgebaut wurde, befindet sich im heutigen Usbekistan.
Bevor wir uns auf den Weg machten, wollte ich auf dem Basar gegenüber dem Hotel eine Mütze kaufen. In der Hotellobby traf ich bereits um 9:30 auf Aziz, den Führer des Tages, ich gab im bekannt, dass ich noch eine kurze Exkursion machte, bevor wir tatsächlich loslegen könnten.
Was ich nicht realisiert hatte war, dass es sich bei dem Basar um einen Ersatzteilmarkt für Autos handelt. ûhnlich wie im Iran gibt es in Turkmenistan verschiedene Basars für verschieden Dinge. Aziz war verständlicherweise ziemlich verwundert, was ich den für Ersatzteile suchte. Ich erklärte ihm meinen Wunsch, worauf er meinte, dass der Hauptbasar in Dashoguz montags zwecks Reinigung geschlossen ist. Es gäbe allerdings alternative kleinere Basars, wo man eine Mütze kaufen könnte. So erstand ich für gut 3 US$ eine ähm originale Adidas Mütze.
Mein zweiter Wunsch des Tages war eine kleine Wechselaktion um am Folgetag nicht ohne usbekische Som nach Usbekistan einzureisen. Dazu fanden wir einen Händler an einer Strassenecke. Dieser war wenig begeistert, dass ich nur eine alte 20 US$ Note zum Wechseln hatte, nahm sie aber nach einigem Murren dann doch an. Mein Trick hatte also funktioniert, die alte Note, welche ich im Iran beim Rücktausch erhalten hatte, wieder loszuwerden. Dafür erhielt ich einen Stapel mit 45 Noten à 1000 Som, anscheinend die grösste Einheit, welche es gibt.
Nachdem meine Wünsche erfüllt waren, machten wir uns auf den Weg nach Konye-Urgench, etwa 90 Kilometer nordwestlich von Dashoguz gelegen. Unterwegs quetschte ich Aziz etwas über sein Leben und einige Spezifikas über Turkmenistan aus. Er ist Englischlehrer, welcher zwischendurch Touristen, besonders im Frühjahr, durch die Gegend um Dashoguz und Konye-Urgench begleitet.
Kurz vor Mittag erreichten wir Konye-Urgench. Von der ursprünglichen Festung ist leider nicht mehr viel erhalten, ein Besuch im Geschichts- und Ethnografiemuseum lohnt sich deshalb, weil es dort in Modell der ehemaligen Festung gibt. Heute sind davon einige Mausoleen, ein Stadttor und das höchste Minarett Zentralasiens mit 64m Höhe übrig. Auf unserer Rundfahrt besuchten wir der Reihe nach das Mausoleum von Najmeddin Kurba, das Museum, das Stadttor mit er angeschlossenen Karawnserei, das Mausoleum von Arslan, das Mausoleum von Tekesch dem Herrscher zur Blütezeit von Konye-Urgench im 12. Jahrhundert und das Minarett von Gutlug Timur.
Wie im anitken Merw trafen wir auch hier auf einige Einheimische, welche zu den Mausoleen pilgerten und ihr Ritual mit dreimaliger Umkreisung durchführten. Eine Spezialität jedoch war auf einem Hügel nahe des Minaretts zu erleben. Ein älterer Herr machte vorhersagen für die Zukunft. Er machte dies indem er den Interessierten in einen langen Mantel packte, dieser sich auf den Boden legte und den Hügel hinterrollte. Je nachdem, ob er links, geradeaus oder rechts rollte, erwartete ihn ein anderes Schicksal. Ich war zuwenig an meiner Zukunft interessiert, um es selber auszuprobieren, konnte jedoch die Geschichte zwei Mal beobachten. Auf dem selben Hügel gab es des Weiteren eine Stätte, wo Kinderwünsche in Form von Wunschtüchern und Plastikbabys dargebracht wurden, sowie Wunschtürmchen aus Steinen.
Zu guter Letzt besuchten wir noch das Mausoleum der Frau von Tekesh. Tekesh wollte seiner wunderschönen Frau den schönsten Palast bauen, welcher dann später auch ihr Mausoleum werden würde. Heute noch erhalten ist die innere Kuppel mit wunderschönen Freskos. Der Bau symbolisiert in verschiedensten Formen das Jahr. Das grosse Fresko in der Kuppel besteht aus 365 geometrischen Formen. Darunter befinden sich 12 kleine Fenster und noch weiter unten 4 kleine Fenster für die 4 Wochen im Monat und 4 grosse Fenster für die 4 Jahreszeiten.
Aziz fragte mich dann, ob ich direkt nach Dashoguz zurückfahren wollte oder in Konye-Urgench noch etwas essen wollte. Ich entschied mich für letzteres, unter anderem weil die Stadt Dashoguz nicht so viel zu bieten hat. So machten wir uns auf den Weg ins nächstgelegene Café, wo ich eine russische Speise, Manti probierte. Dies sind Ravioli-ähnliche Teigtaschen mit Fleischfüllung gekocht in heissem Wasser. Dazu gibt es Sauerrahm als Sauce.
Nach dieser Stärkung machten wir uns die 90 Minuten auf den Rückweg nach Dashoguz. Wie schon auf der Hinfahrt wurde ich bei jedem Polizeikontrollpunkt wieder Zeuge eines kleinen Rituals. In Turkmenistan ist das Tragen der Sicherheitsgurten obligatorisch. Die Bevölkerung hat dafür jedoch kein Verständnis, so dass sobald ein Polizist gesehen wird, optisch die Sicherheitsgurte getragen wird. Keine 5 Meter nach der Kontrolle ist sie dann wieder weg. Einmal wurden wir trotzdem kurz kontrolliert, Veyis hatte jedoch seinen Ausweis als ehemaliger Staatsdiener dabei, wodurch wir gleich weiterfahren konnten. Die Sicherheitsgurte war bei dieser Kontrolle nicht angelegt und war auch kein Thema. Veyis signalisierte anschliessend mit dem Zeigefinger seiner linken Hand allen entgegenkommenden Fahrzeugen, dass da eine Polizeikontrolle ist, worauf sich die Fahrer bei ihm mit einem kurzen Kopfnicken bedankten.
Beim Hotel angekommen klärten wir noch die Fahrersituation für mein letztes organisiertes Stück Reise in Turkmenistan, bevor ich mich in Usbekistan dann wieder frei bewegen konnte. Durch diese organisierte Art und Weise zu Reisen sehe ich unterschiedliche Vor- und Nachteile. Vorteile sind sicher die Einfachheit so zu reisen. Man braucht sich nicht um Unterkunft und Transport zu kümmern, alles ist da. Ebenso hat man an jedem Tag einen lokalen Gesprächspartner, in einem Land wie Turkmenistan allerdings mit dem Nachteil, dass dieser nicht alle Fragen beantwortet. Ich hatte durch die organisierte Reise auch nicht die Möglichkeit wirklich in das Land einzutauchen. Zugegeben, ich hatte einzelne Stunden, zu denen ich alleine Städte erkunden konnte. Durch die Weitläufigkeit der Städte und meinen Fehler keinen Reiseführer für Turkmenistan mitzunehmen, hatte ich nicht sonderlich Lust diese Freiheiten auszunutzen. Die Zurechtweisungen in Ashgabat und Dashoguz taten ihr übriges dazu. Für eine zukünftige Reise der selben Art würde ich mich auf 5 Tage in diesem Land beschränken und ein Transitvisum beantragen, denn auch das Preis-Leistungsverhältnis der organisierten Tour stimmt nicht.