Ashgabat: Surrealität in Marmor

Am Dienstag stand der nächste Grenzübertritt an. Der erste, an dem ich ein Visum beantragen musste. Jenseits der iranisch-turkmenischen Grenze erwartete mich eine ganz andere Welt: Ashgabat, die Hauptstadt Turkmenistans.

Um als Tourist Turkmenistan besuchen zu können, hat man zwei Alternativen: entweder man beantragt ein Transitvisum mit einer maximalen Gültigkeit von 5 Tagen oder aber man beantragt ein Touristenvisum mit einer längeren Gültigkeit und der Notwendigkeit einer organisierten Reise. Da mir 5 Tage für den Besuch des Landes als sehr wenig vorkam, hatte ich mich für die Variante Touristenvisum entschieden. Die Reiseagentur Ashgabatsiyakhat und ihr Manager Artyk hatten mir einen sehr guten Vorschlag für eine Reiseroute zu einem Preis vorgeschlagen, der zwar für meine Verhältnisse immer noch teuer, jedoch ein Faktor 2 unter der gleichen Anfrage bei einer anderen Agentur lag. Das Einladungsschreiben hatte Artyk wie besprochen organisiert, traf aber aufgrund von Verzögerungen bei Aussenministerium erst im Laufe des Oktobers bei mir ein. Deshalb und weil es in Ankara 4 Tage gedauert hätte, hatte ich mich entschieden, das Visum am Grenzübergang zu organisieren.

Einkaufen in Ashgabat: Fotografieren verboten!

Einkaufen in Ashgabat: Fotografieren verboten!

Ich verliess mein Hotel in Bajgiran auf der iranischen Seite kurz nach halb zehn, da ich Artyk mitgeteilt hatte, dass ich um 10 Uhr auf der iranischen Seite der Grenze sein werde. Zwischen dem Iran und Turkmenistan liegen anderthalb Stunden Zeitverschiebung, weshalb er den Fahrer beauftragt hatte, um 12 Uhr auf mich zu warten. Meine Einschätzung war, dass dies sehr optimistisch sein müsste, denn ich glaubte nicht in einer halben Stunde ein Visum zu erhalten, die Grenze zu überqueren und die Fahrt von 25 Kilometern bis zum Checkpoint nach der Grenze zurückzulegen.
Alleine die Ausreise aus dem Iran dauerte schon mehr als eine Viertelstunde, da mein Pass vier Mal kontrolliert wurde. Die richtige Wartezeit entstand dann aber auf turkmenischer Seite. Bei der ersten Passkontrolle hatte ich die zweifelhafte Ehre, als letzter an die Reihe zu kommen, weil der arme Soldat mit meinem fremden Pass ziemlich gefordert war. Denn obwohl ein roter Pass mit weissem Kreuz ihm nichts sagte, sowie der Name des Landes in 5 Sprachen, musste er Nachfragen, was denn nun meine Nationalität sei.

Modernes Stadttor von Ashgabat

Modernes Stadttor von Ashgabat

Danach durfte ich ins Grenzgebäude eintreten und sofort meinen Pass und mein Einladungsschreiben abgeben. Nach einer längeren Zeit war dann das Visum fertig und ich bekam eine Zahlungsanweisung, welche ich bei der «Bank» bezahlen musste. Diese öffnete aber erst 10 Minuten später für die paar Grenzgänger die da waren und ein Visum zu bezahlen hatten. Bei alten oder angerissenen Scheinen kam von der netten Dame der Kommentar «Problem» und ich hatte einen schöneren Dollarschein nachzuliefern.
Als das das Visum und die Einreisegebühr bezahlt waren durfte ich warten, bis mein Name aufgerufen wurde und ich den Zahlungsbeleg abgegeben und meinen Reisepass mit Visum in Empfang nehmen durfte. Schliesslich durfte ich mich in die Schlang der Grenzgänger stellen, meinen Reisepass abgeben und warten bis ich aufgerufen wurde, um meinen Rucksack durch den Röntgenapparat zu schicken. Danach wurde ich gefragt, ob ich Drogen oder Bomben dabei hätte. Ich musste meinen Rucksack kurz öffnen, wobei sich der Grenzer am meisten für meinen australischen Hut interessierte. Schlussendlich war ich in Turkmenistan angekommen. Zu beachten ist, dass dieses Prozedere pro Grenzgänger rund 5 Minuten dauert. Einige Iraner, welche das Ganze von Visumsbeantragung mit mir mitgemacht hatten, waren weniger begeistert und meinten, dass die Einreise in den Iran wohl viel effizienter sei. Da hatten sie recht.

Beleuchteter Marmor

Beleuchteter Marmor

Mit zwei Stunden Verspätung kam ich schliesslich am unteren Kontrollpunkt an, wo Berdy, mein Fahrer für Dienstag und Mittwoch sehnsüchtig auf mich wartete. Er brachte mich dann flott nach Ashgabat und setzte mich in meinem Hotel ab. 10 Minuten später traf dann Artyk beim Hotel ein und sprach mit mir das geplante Programm durch und klärte letzte Formalitäten. Er brauchte für die Registrierung bei der Regierung noch zwei Passbilder und meinen Reisepass. Eine Stunde später, nachdem ich auch etwas in meinen Magen gekriegt hatte, kam er mit meinem Pass zurück und ich konnte mich alleine etwas auf den Weg durch die Stadt machen. Dabei habe ich es geschafft, bei meinem allerersten Foto in der Stadt gleich zurechtgewiesen zu werden, dass im Basar das Fotografieren verboten ist und ich wurde von einem Soldaten vom Präsidentenpalast weggeschickt.

Die Lehmziegelfestung Nisa

Die Lehmziegelfestung Nisa

Die ersten Eindrücke der Stadt waren jedoch überwältigend. Die ganzen staatlichen Gebäude sind aus Marmor gebaut, teilweise sogar die Wohnhäuser. Die Strassen sind grosszügig ausgelegt, obwohl verhältnismässig sehr wenig Verkehr herrscht. Vor all den Marmorgebäuden befinden sich Brunnen, welche farbig beleuchtet sind und synchron die Farbe ändern, dies über mehrere hundert Meter. Und all diese Gebäude sind in der Nacht herrlich beleuchtet. Der Wunschtraum eines jeden Fotografen, stünde da nicht an jeder Ecke ein Soldat, der unter anderem sicherstellt, dass keine unerlaubten Fotos gemacht werden. Frägt man allerdings einen Soldaten, ob man eine bestimmte Strasse entlang laufen darf, fragt der Soldat, ob man Zigaretten für ihn dabei hat. Die breiten Bürgersteige sind leer, so dass man als beinahe einziger Fussgänger bei jedem Schritt das Gefühl bekommt, man tut etwas verbotenes. Verrückte Welt!

Bescheidene Gedenkstätte für einen Exzentriker

Bescheidene Gedenkstätte für einen Exzentriker

Da mein Hotel kein Frühstück anbot, musste ich mir zum Frühstück selber etwas besorgen. Um 9 Uhr war Treffpunkt mit Elena, der deutschsprachigen Führerin für Mittwoch in Ashgabat und Berdy dem Fahrer. Da es zwischen dem Iran und Turkmenistan anderthalb Stunden Zeitverschiebung gibt, wachte ich nicht wie gewohnt gegen 7 Uhr auf, sondern erst um halb neun. Das bedeutete, dass ich das Frühstück auslassen musste. Zum Glück hatte ich ein ausgiebiges Abendessen gehabt, so dass ich bis zum Mittagessen durchhielt. Nächstes Mal beim Üeberschreiten einer Grenze zwischen zwei Zeitzonen wird der Wecker gestellt…

Bescheidene Toiletten

Bescheidene Toiletten

Nach Programm fuhr uns Berdy qreuz und quer durch die Stadt. Erstes Ziel war die alte Festung Nisa etwas ausserhalb nordwestlich der Stadt. Es handelt sich dabei im eine rund 2500 Jahre alte Lehmziegelfestung, ähnlich wie ich sie in Yazd und Kashan im Iran schon gesehen hatte. Im Unterschied zum Iran ist hier der genaue Verwendungszweck noch nicht bekannt und es laufen seit Jahren Ausgrabungen. Das einzige was sicher ist, ist dass es eine frühe zoroastrische Siedlung war, was später damit geschah ist allerdings umstritten. Es wurden jedoch römische und griechische Statuen gefunden.

Kopie oder Original: Die "blaue" Moschee in Ashgabat

Von Nisa machten wir uns auf den Weg zur letzten Ruhestätte von Turkmenbashi, dem Vater der Turkmenen, dem letzten Präsidenten Nyazov. Er war Kommunist und hat später Turkmenistan in die Unabhängigkeit geführt und dazu die Geschichte des Landes neu geschrieben. Sein Buch Ruhmanna ist das aktuell gültige Geschichtsbuch an den Schulen. Der Exzentriker liess sich auch in einigen Goldstatuen verewigen, welche nun nach und nach abgebaut und an einem gemeinsamen Ort wiederaufgebaut werden. Seine letzte Ruhestätte hat nach Vorbild der alten Könige während seiner Lebenszeit schon gebaut. Nach offiziellen Angaben für 40 Millionen US-Dollar. Wer allerdings das Mausoleum und die dazugehörige Moschee, alles in feinstem Marmor mit Golddekorationen, gesehen hat, zweifelt an diesem Betrag. Die Moschee bietet Platz für 10’000 Gläubige und eine Tiefgarage für 20’000 Autos. Daneben gibt es eine Kochstelle und eine grosse Anzahl an Picknick Plätzen, wo im Sommer Einheimische ihre Freizeit geniessen. Da die Moschee aber anstelle von Koranversen Auszüge aus dem Buch von Nyazov enthält, wird die Moschee von den Muslimen gemieden. In der Moschee wähnt man sich eher in einem Palast als in einem religiösen Gebäude. Immerhin durfte ich von aussen Fotos machen, der Wärter meinte, innen seien zu viele Kameras installiert.

Exkzess in Marmor

Exkzess in Marmor

Der nächste Besuch galt dann der Moschee in der Stadt, welche ein Nachbau der blauen Moschee in Istanbul ist. Obwohl nicht zu 100% gleich, erinnert dieses Gebäude doch sehr stark an die blaue Moschee. Einziger Unterschied: in der Moschee treffe ich auf genau einen Menschen. Ansonsten ist alles leer, obwohl diese Moschee aktiv genutzt werden soll. Elena bleibt lieber draussen und raucht eine Zigarette, obwohl rauchen offiziell nicht erlaubt ist. Der aktuelle Präsident war Zahnarzt und kennt die Folgen des Rauchens, weshalb er es kurzerhand verboten hat.

Exkzess in Marmor

Exkzess in Marmor

Zum Mittagessen fahren wir dann in ein türkisches Einkaufszentrum in ein Selbstbedienungsrestaurant. Das Essen schmeckt gut, ist aber für turkmenische Verhältnisse teuer. Ich bezahle das ûquivalent von 11 US Dollar, Elena trinkt nur einen Kaffee. Wahrscheinlich ist für sie das Essen auch zu teuer. Berdy hatte mir am Vortag erklärt, dass er früher als Arzt pro Monat rund 400 US Dollar verdient hat, obwohl er Vize-Präsident des turmenischen roten Halbmondes war. Mittlerweile arbeitet er selbständiger Berater, unter anderem für einen Apotheker, wenn es um den Medikamenteneinkauf geht, sowie als Fahrer für Touristen.
Am Nachmittag machten wir uns dann auf den Weg durch die Marmorviertel der Stadt. Es muss unglaublich sein, was türkische und französische Firmen mit dem Aufbau dieser klynischen Stadtviertel verdienen. Der Marmor kommt anscheinend aus der Türkei, wo auch die Mehrheit der Baufirmen herkommen. Da wundert es mich nicht, dass die ausländischen LKWs, welche im Iran auf dem Weg nach Bajgiran gesehen hatte, alle türkisch waren.

Turkmenbashi der Vater der Turkmenen in Gold

Turkmenbashi der Vater der Turkmenen in Gold

Elena und Berdy erklärten mir, welche Gebäude Ministerien und welche Wohnung beherbergen. Interessant sind die Ministerien, welche es alle gibt. So gibt es ein Teppichministerium, ein Pferdeministerium, etc. Die Mitarbeiter der Ministerien sind es dann auch, welche die Möglichkeit erhalten, in den Marmorwohnhäusern Wohnungen zu kaufen, welche über 30 Jahre finanziert werden können. Interessant sind auch Gebäude wie der Hochzeitspalast und das olympische Dorf für zentralasiatische Wettkämpfe 2017, sowie die anscheinend 7 Stadien, welche es in Ashgabat gibt. Wir fahren auf unserer Tour beim Unabhängigkeitsdenkmal vorbei, sowie bei der Gedenkstätte der 10-jährigen Unabhängigkeit. Wiederholt kommen wir auch am Präsidentenpalast vorbei, dort herrscht aber striktes Fotografieverbot. Der Bahnhof ist auch ein strategisch wichtiger Punkt und darf deshalb auch nicht fotografiert werden.
Am späteren Nachmittag wurde ich dann wieder bei meinem Hotel abgesetzt, nachdem Elena und Berdy mir noch ein Restaurant für das Abendessen vorgeschlagen hatten. Ich bedankte mich bei den beiden und musste mich erst in meinem Hotelzimmer von einem denkwürdigen und surrealen Tag in Ashgabat erholen.